Volles Haus beim 2. Polizeikongress im Bayerischen Landtag - und das trotz Kaiserwetter in München - viele Polizistinnen und Polizisten im Austausch mit Grünen FachpolitikerInnen aus Europa, dem Bund und Bayern. Die Forderung der Grünen ist eindeutig: Sie wollen mehr gut ausgestattete Polizistinnen und Polizisten in Bayern.
Nachdem vormittags eine allgemeine Begrüßungsrunde stattfand und erste Einstiege in die Thematik gegeben wurden, fanden nachmittags vier verschiedene Panels statt. Dort wurde über die Themen Computerkriminalität, Gewalt gegen Polizistinnen, Polizisten und Rettungskräfte, die europäische Sicherheitspolitik und Polizeizusammenarbeit mit Expertinnen und Experten aus der Praxis diskutiert. Aber auch die Frage, wie sich die Polizei verändern kann, um noch bürgernäher zu werden, war ein großes Thema.
Unter der Leitung von Jürgen Mistol fand Panel IV „Schutz vor Gewalt gegen Polizei und Rettungskräfte“ statt. Zusammen mit seinen Gästen Prof. Karoline Ellrich, Oliver von Dobrowolski, Hermann Benker und Dr. Rüdiger Sobotta diskutierte er knapp 90 Minuten lang über die Frage, wie Gewalt gegenüber staatlichen Institutionen, insbesondere Polizei und Feuerwehr, frühzeitig vermieden werden kann. In einer Zeit, in der sich ein Verlust von Respekt vor staatlichen Institutionen wie die Polizei abzeichnet, ist es besonders wichtig, jene Institutionen bürgernäher zu machen, aber wie?
Generell ist eine Zunahme von Gewalttaten um fast 13% zwischen den Jahren 2014-2016 zu verzeichnen. Prof. Dr. Ellrich warnt davor, allzu schnell von einer allgemeinen Zunahme der Gewaltbereitschaft zu sprechen: „Ob die Zunahme von Gewaltanwendungen wirklich durch eine größer gewordene Gewaltbereitschaft verursacht wird, ist schwer zu sagen. Es steht fest, dass gesellschaftliche Anforderungen wie zum Beispiel die Flüchtlingskrise einen erhöhten Polizeieinsatz verlangen. Dadurch kommt es natürlich zu häufigeren Gewalttaten. Für eine Zunahme der Gewaltbereitschaft sind in 75% der Fälle jedoch vielmehr Alkohol- oder Drogeneinfluss verantwortlich.
Es sei wichtig, dass das Phänomen Gewalt gegen Einsatzkräfte differenzierter betrachtet werde. Es dürfe nicht von der Gewalt gegen Einsatzkräfte gesprochen werden, sondern der Gewaltbegriff müsse in verschiedenen Stufen definiert werden, so Oliver von Dobrowolski. Nur so könne schnell und wirkungsvoll ein geeignetes Strafmaß festgelegt werden.
Bis jetzt falle unter den Gewaltbegriff alles, was mit einem physischen oder psychischen Druck gegen eine Person gerichtet ist, erklärt Benker. Die Trennlinien sind unverkennbar fließend. Beleidigungen würden dabei mit 33% den größten Raum einnehmen, gefolgt von erkennbarem Widerstrand gegen Einsatzkräfte mit 18%. Aber auch körperliche Übergriffe bis zu versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten fallen unter den Gewaltbegriff. Einen „Opferbegriff“ der Polizei gebe es trotz allem nicht. Ein wichtiger Schritt für eine exakte Abstufung der verschiedenen Ausmaße sei auch, Alkohol, Drogen und Medikamente als Gewaltform anzuerkennen und sie als jene zu betrachten, meint Sobotta.
Hinzu kommt, dass staatliche Strukturen immer mehr in Frage gestellt werden, was sich deutlich in dem Phänomen Gewalt gegen Polizei zeigt. Staatliches Handeln werde nicht mehr als Autoritätshandeln anerkannt, so die Meinung von Ellinger. Die Legitimität der Polizei wird zunehmend in Frage gestellt. Ellrich vertritt dabei den Standpunkt, dass das gehegte Misstrauen über den Staat hinausgehe, Informationen seien überall zu bekommen, was überhaupt erst zum Misstrauen gegenüber dem Staat führt.
Wichtig wäre es nun, und da sind alle vier Experten einig, sich um eine größere Offenheit von Seiten der Polizei zu bemühen. Sich auch kritischen Fragen zu stellen. Die Transparenz des Berufs der Polizei muss wieder mehr nach außen getragen werden. Nur so könne die Polizei in Zukunft bürgernäher werden. Und damit ihre Autorität zurückbekommen. Eine zeitnahe Bestrafung sind dabei genauso wichtig, wie eine optische und sachliche Aufrüstung nach Außen, um die Wirkung der Polizei wiederherzustellen, so Dobrowolski. Benker erklärt: „Denn wer die Polizei angreift, greift auch gleichzeitig den Staat an“.
Hierfür müssen der „Opferbegriff“ der Polizei und eine exakte Abstufung des Gewaltbegriffes in Zukunft unbedingt festgelegt werden.
Eine ideale Polizei agiere auf Augenhöhe, eine bessere Ausbildung, ein sensibles und gezielt geschultes Kommunikationstraining wären hierfür Lösungsansätze, um den Menschen im Polizisten wieder leichter erkennen zu lassen. Missverständnisse im Verhalten Polizei/Bürger werden so umgangen. Der gute Ruf wird durch weniger werdende Ausfälle gestärkt. Die Kommunikation zwischen den Bürgern und Einsatzkräften darf demzufolge nie abreißen.