Die Bauwirtschaft wird gebraucht, mehr denn je. Nicht nur für den Bau dringend benötigter Wohnungen und Infrastruktur, sondern auch zum Erreichen der Klimaziele.
Anlässlich der diesjährigen Sitzung des IHK-Ausschusses Immobilienwirtschaft sprach sich Jürgen Mistol als wohnungspolitischer Sprecher der Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen für eine starke Baubranche unter klimapolitischen Aspekten aus. Denn – so Mistol - die heutige Art des Bauens sei nicht nachhaltig. Bau und Betrieb von Gebäuden verursache in Deutschland nicht nur 40% des CO2-Ausstoßes, sondern auch 52% unseres Abfallaufkommens und verbrauche 90% der mineralischen, nicht nachwachsenden Rohstoffe.
Daher betonen die Grünen die besondere Verantwortung der Bauwirtschaft, wenn es darum geht, den enormen Ressourcen- und Energieverbrauch weltweit stark zu reduzieren. Neben der ökologischen Neuausrichtung komme der Baubranche die Aufgabe zu, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Wohnen sei keine Ware, sondern ein Recht, so Mistol.
Aufgrund steigender Bodenpreise entstehen in den Städten hauptsächlich hochpreisige Wohnungen bei gleichzeitigem Schwund von Sozialwohnungen. Daher müssen dort immer mehr Menschen ihre Wohnung aufgeben oder auf engerem Raum zusammenleben. Auf dem Land dagegen ziehen junge Menschen weg, veröden Ortskerne und bleiben Gebäude leer. Und so weisen viele Kommunen eigentlich mehr neues Bauland aus als notwendig wäre: Flächenverbrauch und -versiegelung wachsen.
Der Freistaat gehört bundesweit sogar zu den Spitzenreitern: täglich geht hier eine Fläche von 10,3 Hektar – also etwa 14 Fußballfelder – für die Natur verloren. Versiegelte Flächen zerstören nicht nur wertvollen Lebensraum. Sie schaden auch der Boden-Ökologie und begünstigen gleichzeitig Hochwasser-Ereignisse. Fortschreitende Klimaveränderungen stellen neue Anforderungen an bestehende und neu zu errichtende Bauten. Diese müssen künftig nicht nur Naturereignissen standhalten. Extremwetter verursachen möglicherweise auch schon in der Bauphase Verzögerungen und höhere Kosten.
Statt ungezügelter „Bau-Panik“ ist Optimierung der Schlüssel in der Wohnungs- und Baupolitik, ist Jürgen Mistol überzeugt. Aktuelle Zahlen der TU Darmstadt und des Prestel-Instituts gehen von einem Wohnraumpotential von bis zu 2,7 Millionen Wohneinheiten durch Aufstocken von Bestandsgebäuden aus.
Aussterben der Ortsmitte bei gleichzeitiger Ausweitung der Randbebauung: Mistol plädiert für ein „Innen statt Außen“. Zusammengefasst in drei Schritten: erstens Umwandlung dank digitaler Technik und Home Office überflüssiger Büroräume zu Wohnräumen. Zweitens durch Nachverdichtung vor Ort und Aufstockung des Altbestands. Und drittens sollen Gebäude grundsätzlich während ihres gesamten Lebenszyklus nachhaltig sein.
Die wichtigste Bau-Regel für mehr Klimaschutz lautet: weniger Abriss, mehr Recycling. Statt neu zu bauen, wird Umbauen und Modernisieren immer wichtiger. Dennoch liege die Sanierungsrate in Deutschland seit Jahren bei nur knapp einem Prozent, obwohl zum Erreichen der Klimaziele zwei Prozent notwendig wären.
Daher fordert der wohnungspolitische Sprecher der Grünen Landtagsfraktion einen Bewusstseinswandel. Denn bestehende Gebäude binden nicht nur wertvolle Baumaterialien, sondern auch Arbeitszeit und sogenannte „graue Energie“. Energie, die in der Vergangenheit für die Herstellung der Materialien und der Gebäude zum Einsatz gekommen war.
Sollte jedoch ein Erhalt eines Gebäudes nicht mehr möglich sein, dann sei die Recyclingfähigkeit von Bauprodukten und Bauarten entscheidend. Dies bedeutet den Einsatz nachwachsender ökologischer Materialien (Holz, Stroh, Lehm, usw.).
Der aktuelle Vorschlag der Landesregierung zur Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms führe Bayern keineswegs in eine klimaneutrale Zukunft. Es senke keinen Flächenverbrauch und leiste keine attraktive Daseinsvorsorge für alle gesellschaftlichen Gruppen überall in Bayern. Mistol spricht sich aus für eine weiter entwickelte „Bauordnung“ hin zu einer „Um-Bauordnung“. Sie soll klimapositives Bauen fördern, klimaneutrales Bauen als Mindestmaß vorschreiben und Bauen im Bestand zum Standard machen.
Um den Fachkräftemangel im Bausektor zu überwinden, will die Fraktion von Bündnis 90 / Die Grünen im Bayerischen Landtag mit einer Fachkräfteallianz eine Ausbildungs-, Umschulungs- und Studienoffensive für die Berufe im Bausektor starten. Außerdem muss auch Fachkräften aus dem Ausland der Weg nach Bayern erleichtert werden. Nämlich durch eine schnellere Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse.