Lieber Herr Sluka, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,
ich freue mich sehr heute bei Ihnen, auf der diesjährigen Landesmitgliederversammlung des VCD Bayern, ein Grußwort halten zu dürfen. Außerdem freut es mich, dass Sie Regensburg als Tagungsort ausgewählt haben. Hier tut sich gerade im Bereich Mobilität und Verkehr einiges, es wird viel diskutiert, viel geplant und viel entschieden.
Möglicherweise haben Sie auch deshalb Regensburg als Ort der Landesversammlung gewählt? Ich tippe aber eher drauf, dass es einen anderen Grund gibt, weshalb Sie heute in Regensburg tagen. Der VCD hat hier einen Kreisverband, der eine starke Arbeit macht, und dafür möchte ich mich ganz herzlich bedanken! Der VCD hier in Regensburg ist präsent, ist Ideengeber, mischt sich ein, ist konstruktiv, der Draht ist kurz. Ihr seid einfach klasse.
Sehr geehrte Damen und Herren, jetzt möchte ich mal ganz abrupt die Ebenen wechseln. Verkehrspolitik spielt zwar vielfach vor Ort statt, aber viele Weichen werden in Berlin gesetzt. Und Sie sind sicher gespannt, was eine neue Regierung in der Verkehrspolitik vorhat. Ich auch. Und da müssen wir uns alle noch etwas gedulden. Eins aber dürfte ziemlich sicher sein, und das ist die frohe Botschaft: Der nächste Minister heißt nicht Alexander Dobrindt.
Wie wird der VCD-Verkehrsfachmann Gerd Lottsiepen schon am 26. September in den Medien zitiert? Er sagte: „Eine schlimmere Verkehrspolitik als unter Verkehrsminister Alexander Dobrindt kann man sich nicht vorstellen.“ Ich kann mir das auch nicht vorstellen. Und ich sage: Es ist höchste Zeit, dass ein Bundesverkehrsminister auch etwas von Verkehrspolitik versteht, und dem eine für die Zukunft gut aufgestellte Mobilität ein wirkliches Anliegen ist.
Und Gerd Lottsiepen hat auch gesagt, er sieht Jamaika als Chance, wenn man den Klimaschutz als Chance begreift. Und da wird es bei allen potenziellen Partnern in einer solchen Koalition einiges an Lockerungsübungen abverlangen. Und ich sage es auch ganz ehrlich: Sowohl für die Union, als auch für die FDP, als auch für uns Grüne, eine Zusammenarbeit in dieser Konstellation mutet allen sehr viel zu. Aber auch ich sehe die Chancen, dass es gerade in der Verkehrspolitik Entscheidungen geben könnte, mit denen wir als VCD und wir als Grüne mehr als nur gut leben könnten. Haben wir Zuversicht! Und vielleicht schaffen wir jetzt auch – und das ist vor allem eine Botschaft an die Aktiven hier vor Ort – dass Radschnellwege auch entlang Autobahnen künftig förderfähig werden.
Sehr geehrte Damen und Herren! Bedarfsgerecht (das heißt für mich 1. die Nutzerinnen und Nutzer und 2. aber auch die Wirtschaftlichkeit im Blick) und gleichzeitig umweltverträglich – an diesen Zielen müssen sich die Mobilitäts- und Verkehrskonzepte in Zukunft messen. Mobilität hat aber auch eine soziale Komponente: Wir brauchen Mobilität für alle, auch für diejenigen, die keinen Führerschein besitzen, sich kein eigenes Auto leisten können oder wollen und aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr Auto fahren dürfen. Schon auch deshalb wollen wir den ÖPNV nachhaltig stärken und ausgestalten.
Verkehrspolitik ist aber auch Strukturpolitik. Die CSU-Staatsregierung leistet sich für München einen zweiten S-Bahn-Tunnel. Und was passiert in den peripheren Regionen, in denen die Einwohnerzahl sinkt? Was passiert in den Orten, von denen morgens ein Bus abfährt und nach Schulschluss und vielleicht noch nach Feierabend ein Bus wieder ankommt? Kann da von gleichwertigen Lebensverhältnissen die Rede sein, die in Bayern ja sogar Verfassungsrang haben? Ich sage ganz klar: Nein! Vor allem da müssen wir investieren, um den Trend der Landflucht nicht noch weiter Futter zu geben.
Und wie sieht es dort momentan aus? Auf dem Land ist der motorisierte Individualverkehr derzeit oft das einzige Mittel, um schnell von A nach B bzw. in die größeren Städte zu kommen. 56 Prozent der Bevölkerung Bayerns wohnt in solchen ländlichen Räumen, die durch eine geringe Bevölkerungsdichte, dezentrale Siedlungsstrukturen und große Distanzen zwischen Wohnen, Arbeiten und Versorgung geprägt sind. Vor allem hier ist Mobilität eine wichtige Voraussetzung für die Teilnahme am öffentlichen Leben. Dort, wo es an Angeboten für Bildung, Nahversorgung und an öffentlichen Einrichtungen mangelt, ist ein gutes Mobilitätsangebot essentiell, um auch zukünftig attraktive Lebensbedingungen und die Erreichbarkeit solcher Angebote zu sichern.
Wenn nicht einmal Kreisstädte wie Kelheim oder Tirschenreuth als regionale Zentren einen Bahnanschluss haben, dann haben wir beim Thema Bahn in der Fläche als Grundgerüst einer umweltfreundlichen Mobilität noch viel zu tun. Ungenutzte Potenziale im Schienenverkehr müssen aktiviert werden. Sie können den ÖPNV bei der Erschließung der ländlichen Räume unterstützen. Dazu gehören Streckenreaktivierungen und die Bestellung von Regelverkehren, und der Verlauf von Probebetrieben wie zwischen Gotteszell und Viechtach oder die Bedienung der Strecke Passau – Freyung machen Mut und geben Hoffnung. Außerdem ist der SPNV um getaktete regionale Buslinien zu ergänzen, für Räume, die der Schienenverkehr nicht bedient bzw. bedienen kann. Knoten- und zentrale (Bus-)Bahnhöfe im ländlichen Raum sollen zu „Mobilitätsdrehscheiben“ entwickelt und ausgebaut werden, ergänzt mit gesicherten Radstationen, Leihräder-Angeboten und E-Bike-Ladestationen.
Gerade dort, wo wenig Menschen wohnen, brauchen wir mehr intermodale Verkehrskonzepte mit flexiblen Angeboten, Car-Sharing und E-Mobilität. Und noch einmal der Blick nach Tirschenreuth: Die haben ein wirklich gutes Anruf-Taxi-System (BAXI), ich hab es selbst getestet. Und es wird von den Menschen auch angenommen. Nicht wenige junge Menschen können nur deshalb eine gewünschte Ausbildung beginnen, weil es dieses Angebot gibt. Gefördert vom Freistaat. Aber nur eine Anschubfinanzierung. Und wenn sie wegfällt: Fragezeichen
Ich sage: Wir brauchen hier mehr Beständigkeit in der Förderpraxis des Freistaats. Ein kurz aufloderndes Feuer wärmt nicht. Und auch Sonntagsreden eines Heimatsministers können politisches Handeln nicht ersetzen. Wir Grüne wollen langfristig eine Mobilitätsgarantie: alle Orte in Bayern sollen an allen Wochentagen von fünf Uhr bis Mitternacht stündlich angebunden werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass stündlich leere Busse durch die Orte fahren sollen. Ruf- oder Bürgerbusse bieten hier wichtige Alternativen überall dort, wo ein stündlich getakteter Bus- und Schienenverkehr im Regelbetrieb nicht umzusetzen ist.
Jetzt höre ich aber auf mit dem Thema Mobilität im ländlichen Raum. Sie verzeihen, dass ich dazu etwas ausführlicher geredet habe. Sie merken, ich vertrete den gesamten Wahlkreis Oberpfalz, und da gibt es viel Land und wenig große Städte.
Sehr geehrte Damen und Herren, noch ein paar Gedanken zur Bahn. 1. In ein paar Wochen geht eine Neubaustrecke in Betrieb, die unwahrscheinlich viel Geld verschlungen hat. Auch der VCD hatte andere Pläne und auch lange und vehement gefordert, die bestehenden Bahnverbindungen zwischen Nordbayern und den benachbarten Ländern Thüringen und Sachsen auszubauen und in ihrer Attraktivität entscheidend zu verbessern. Da kann man jetzt sagen: Schnee von gestern. Aber dass jetzt Reisende aus Regensburg, aus Weiden in der Oberpfalz, in Nürnberg fast regelmäßig zwischen 35 und 50 Minuten auf ihren Anschlusszug Richtung Berlin warten müssen, macht schon einen guten Teil der durch die Neubaustrecke verkürzten Reisezeit wieder wett.
2. Elektrifizierung: Wenn es um Elektromobilität geht, reden wir momentan vor allem von Pkws, vielleicht noch von Bussen. Aber rund die Hälfte der Bahnstrecken in Bayern sind noch immer nur mit Dieselloks und -triebwagen befahrbar. Auf der Schiene funktioniert die Elektromobilität seit 100 Jahren. Und trotzdem gibt es in Bayern riesige Dieselinseln, Regionen, in denen keine E-Lok verkehren kann. Umweltpolitisch ein Desaster. Großer Handelsbedarf. Nicht nur auf den Strecken München – Lindau und Regensburg – Hof.
3. Vor ein paar Tagen habe ich die Meldung gelesen: „Bahngüteranteil in Österreich doppelt so hoch wie in Deutschland.“ Und dass es sogar noch viel besser geht, zeigt die Schweiz. Dort nahm die Verkehrsleistung der Lkw seit 2005 um rund 10 Prozent ab und die Transportleistung auf der Schiene um rund 7 Prozent zu. Mehr Güter auf die Schiene. Auch hier gilt es umzusteuern. So viel zur Bahn.
Noch ein aktuelles Thema: Der Diesel-Skandal. Aktuell? Na ja, eigentlich hat er schon vor zwei Jahren begonnen. Und was ist passiert? Volkswagen und die anderen Autohersteller konnten weiterhin machen, was sie wollten. Sie wussten, sie werden nicht kontrolliert. Und als der Skandal jetzt im Sommer noch einmal so richtig Fahrt aufgenommen hatte und klar wurde, wie sehr die Käuferinnen und Käufer der Fahrzeuge hinters Licht geführt wurden (man könnte auch sagen: beschissen wurden), da ist nicht etwa die Staatsanwaltschaft aktiv geworden, nein. Die Verantwortlichen wurden zum Kaffee ins Kanzleramt eingeladen. Und die Bundesregierung meint, mit einem billigen Software-Update ist alles geheilt.
Nein, das reicht nicht. Und es werden immer noch Diesel-Pkw neu zugelassen, die unter realen Bedingungen mehr giftiges Stickstoffdioxid ausstoßen als die Grenzwerte erlauben. Und da gibt es drei Verlierer: 1. Diejenigen, die solche Autos gekauft und mit voller Absicht übers Ohr gehauen wurden. Und die vermutlich große Schwierigkeiten haben werden, ihren Diesel irgendwann zu einem ordentlichen Preis zu verkaufen. Und ich halte es für falsch, dass man den Skandal bei den betroffenen Diesel-Fahrern ablädt.
2. Verlierer ist die Umwelt, weil das Klima dadurch nicht verbessert wird und der notwendige Beitrag zum Pariser Klimaschutzabkommen ausbleibt. Und 3. Verlierer sind die Menschen, die entlang der Straßen dem Dieselruß ausgesetzt sind, weil klar ist, dass die Abgase Herz und Lungen schädigen. Und es besteht sogar die Gefahr, dass es noch einen 4. Verlierer gibt: Und das ist die deutsche Autoindustrie selbst und deren Beschäftigte. Ich möchte, dass auch noch in zehn Jahren hier in Bayern Autos produziert und Arbeitsplätze erhalten werden. Und das gilt insbesondere auch für die Stadt hier, in Regensburg.
Am Beispiel der Stadt Regensburg und ihres Umlandes lässt sich ohnehin gut zeigen, vor welchen Herausforderungen Verkehrsplanung und –politik stehen. Die Menschen sollen motiviert sein, auf öffentliche Verkehre und das Fahrrad umzusteigen. Die Region droht im Stau zu ersticken, und für zusätzliche Straßen ist schon überhaupt kein Platz. Und die Menschen, die hier leben, haben auch das Recht auf ein Leben mit so wenig Lärm und Abgasen wie möglich. Gerade in einer wachsenden Stadt wie Regensburg - aber genauso auch anderswo - muss sich der Verkehr und das Mobilitätsverhalten der Menschenverändern. Der Verkehr muss den Bedürfnissen von Stadtbewohnern und Pendlern gerecht werden.
Was passiert nun hier vor Ort? Als ein konkretes Beispiel ist das Projekt der Stadtbahn für Regensburg zu nennen, für das sowohl der VCD als auch die Grünen seit Jahrzehnten kämpfen. Und wir haben nun erstmals ein Gutachten, dass die Förderfähigkeit einer Stadtbahn nachweist. Und eine breite politische Mehrheit, die deutlich über die Regensburger Regierungskoalition aus SPD, Grünen, Freien Wählern und FDP hinausgeht. Da will ich aber dem nachfolgenden Vortrag von Herrn Großmüller nicht weiter vorgreifen.
Was passiert noch? Mit dem Einsatz fünf emissionsfreier Elektro-Busse (EMIL) auf der Altstadtbuslinie im Regelbetrieb haben wir einen Erfolg für umweltfreundliche Mobilität in Regensburg erzielt. Die Busse sind mit 100 Prozent Ökostrom unterwegs, schonen das Klima und gleiten leise durch das Welterbe.
Außerdem haben wir zusammen mit den Stadtwerken Regensburg das eCar-Sharing-Projekt „Earl“ ins Leben gerufen. Per App können zwei E-Fahrzeuge ausgeliehen werden. Das senkt die CO2-Emissionen und ist eine wichtige Ergänzung zum ÖPNV.
Und wir haben den Radverkehr fest im Blick, unsere Fußgängerzone und die Wege im Alleengürtel für den Radverkehr freigegeben, und, und und. Aber auch in Regensburg gibt es immer noch Luft nach oben.
Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluss kommen. Ich bin der festen Überzeugung. Es braucht eine nachhaltige Verkehrspolitik, die die Menschen im Blick hat und die Umwelt schützt. Mobilität in Stadt und Land muss bezahlbar, kundenfreundlich und ökologisch organisiert werden. Das ist für uns Grüne ein wichtiges politisches Ziel für Bayern. Es braucht allerorten intelligente, zielorientierte und passgenaue Lösungen im Einklang mit den jeweiligen räumlichen Voraussetzungen. Daran arbeiten VCD und Grüne mit vielen anderen Akteuren. Wir setzen uns für Investitionen in eine lebenswerte Zukunft ein, nicht nur für uns, sondern auch für die nachfolgenden Generationen. Ich danke Ihnen allen für das gute Miteinander und auch dafür, dass Sie mir so geduldig zugehört haben.
Ich wünsche uns allen weiterhin viel Motivation und Erfolg und Ihnen eine gute Versammlung und eine schöne Zeit hier in Regensburg. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!