Herr Präsident Paul Knoblach, Kolleginnen und Kollegen!
In einem Parlament treffen unterschiedliche politische Vorstellungen und Ziele aufeinander. Für den Ablauf des Geschehens sind deshalb genaue formale Regeln notwendig, eben eine Geschäftsordnung.
Wir kommen ja hier und heute in einer neuen Zusammensetzung zusammen und müssen die nächsten fünf Jahre auch miteinander auskommen – ob es uns jetzt gefällt oder nicht. So haben es die Wählerinnen und Wähler entschieden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir übernehmen vorerst einmal die Geschäftsordnung der 18. Legislaturperiode und passen sie moderat an. Ich finde es ein gutes Zeichen, dass sich die demokratischen Fraktionen hier im Hause auf einen gemeinsamen Änderungsantrag verständigen konnten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, "gemeinsam" ist überhaupt das Stichwort. Mir ist bei der Vorbereitung der Rede eingefallen: Ich war in Regensburg unterwegs. Am Eingang der neuen Synagoge in Regensburg ist ein Gedicht der Lyrikerin Rose Ausländer als Kunstwerk visualisiert. Es beginnt so:
"Vergesset nicht / Freunde / wir reisen gemeinsam"
In der dritten und vierten Strophe heißt es:
"Vergesset nicht / es ist unsre / gemeinsame Welt / die ungeteilte / ach die geteilte die uns aufblühen lässt / die uns vernichtet / diese zerrissene / ungeteilte Erde / auf der wir / gemeinsam reisen"
Soweit das Gedicht. – Jetzt ist der Bayerische Landtag nicht die Welt, aber er ist schon irgendwie ein Kosmos eigener Art. Welche Ordnung wollen wir ihm geben? Mit welcher Haltung wollen wir während fünf Jahren unserer Lebenszeit miteinander um gehen? – Es geht um gegenseitigen Respekt, es geht darum, bei der Wahrheit zu bleiben, sich nicht zu beleidigen, sich zuzuhören. Es geht um einen fairen Umgang miteinander. Populismus, Hass und Hetze sowie Pöbeleien machen weder in der Welt noch in einem Parlament wirklich Sinn. – An sich sehr simpel, aber dennoch kein Selbstläufer.
(Beifall bei den GRÜNEN, der CSU, den FREIEN WÄHLERN und der SPD)
Kolleginnen und Kollegen, es reicht für uns im Landtag nicht, unsere Organe, Strukturen, Geschäftsgänge, Sitzungsordnungen und die Disziplin zu regeln. Wir müssen unsere Geschäftsordnung auch mit Leben erfüllen. Dabei kommt es vielleicht weniger darauf an, was in den einzelnen Paragrafen steht. Es kommt zuvorderst darauf an, wie wir miteinander umgehen wollen. Das ist für mich entscheidend in einer Zeit, in der wir es mit einem Erstarken der Rechtsextremen und Populisten zu tun haben, in der sich Regierungsparteien auch erst einmal gegenseitig versichern müssen, dass sie mit bei den Beinen fest auf demokratischem Boden stehen. – Das macht mir schon Sorgen um unser schönes Bayern.
In einer Demokratie reicht es auch nicht, zur Wahl zu gehen. Man ist auch noch nicht Demokrat oder Demokratin, wenn man in einer demokratischen Wahl gewählt wird. Demokratie ist eine "Wertegemeinschaft", wie es Heribert Prantl jüngst in der "Süddeutschen Zeitung" formuliert hat. Diese Werte sind im Grundgesetz, in der Bayerischen Verfassung definiert. Die Geschäftsordnung ist der formale Rahmen, um diese Wertegemeinschaft im Landtag auch gut praktizieren zu können.
Kolleginnen und Kollegen, es geht auch darum, den Landtag als Verfassungsorgan gegenüber den Feinden der Demokratie widerstandsfähig zu machen – das wird unsere gemeinsame Aufgabe sein, deswegen freue ich mich auch auf die weiteren Verhandlungen zur Geschäftsordnung –; denn darum wird es aus unserer Sicht gehen müssen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
(Beifall bei den GRÜNEN sowie Abgeordneten der FREIEN WÄHLER und der SPD)