Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Religionsfreiheit gibt uns die Möglichkeit, den Glauben ungestört ausüben zu können. Das ist ein sehr hohes Gut in unserer Gesellschaft, geschützt von Verfassung und Grundgesetz. Diese Auffassung kann man heute nicht oft genug vertreten.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Ich persönlich möchte in einer Gesellschaft leben, in der alle in Freiheit zusammenleben, in der alle ihren Glauben leben dürfen – oder auch nicht, wenn man beispielsweise gar nicht religiös ist – und wo man in Respekt voreinander zusammenlebt. An diesem Respekt mangelt es Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU. Das muss ich Ihnen deutlich sagen.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Zur Religionsfreiheit gehört nämlich auch, dass sich ein Mensch seinem Glauben gemäß bestatten lassen kann. Das ist ein menschliches Grundbedürfnis.
Bayern ist eines der letzten Bundesländer, in dem die Bestattung nur im Leichentuch nicht zulässig ist. Es ist eines der letzten Bundesländer! Keiner weiß, warum das noch so ist. Ich bin auch heute nach Ihrer Rede, Kollege von Lerchenfeld, nicht schlauer geworden, warum das so ist.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Wir hatten im Ausschuss eine Anhörung. In dieser Anhörung haben alle Experten
(Ludwig Freiherr von Lerchenfeld (CSU): Nein, nicht alle! )
mit Ausnahme des Vertreters des Bestatterverbandes erklärt, dass es kein Problem sei, Verstorbene nur im Leinentuch zu bestatten. Insbesondere auch die christlichen Kirchen, mit denen Sie in diesem Bereich immer gern argumentieren, haben darauf verwiesen, dass es sich bei dem Gesetzentwurf um eine sinnvolle Änderung handeln würde. Sie haben keine Angst, dass ihnen etwas weggenommen würde oder dass Traditionen beschädigt würden. Es ist nämlich gar keine Tradition. Auch bei uns ist es erst seit einigen Jahrhunderten Usus, im Sarg bestattet zu werden. Ihr Argument ist insofern nicht maßgeblich, es sticht nicht, dass es eine Sargpflicht geben müsste.
Wir haben in dieser Debatte häufig argumentiert, dass es um die Muslime geht. Ich schätze Sie sehr, Kollege von Lerchenfeld, aber das, was Sie heute gesagt haben, war schon sehr dreist. Wenn Sie sagen, den islamischen Bestattungsriten könne schon heute weitestgehend entsprochen werden, frage ich Sie, ob Sie bei der Anhörung vielleicht nicht dabei waren.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Warum verweigern Sie sich der Tatsache, dass es da ein Problem gibt? – Sonst hätten wir doch keine Anhörung durchgeführt. Sie sagen, es gebe kein Problem. Den Vogel haben Sie jetzt mit Ihrem Zitat abgeschossen. Ich meine Ihr Zitat einer Stellungnahme aus Saudi-Arabien oder Abu Dhabi. Definieren diejenigen, die Sie zitiert haben, was muslimisch ist? – Da glaube ich vielmehr denjenigen Moslems, die bei uns leben und sagen, das ist das, was meinen Glauben ausmacht.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Ich glaube mehr denjenigen, die bei uns leben und denen, die in der Anhörung dabei waren, als das, was Sie an Zitaten bringen. Sie haben das irgendwo gefunden, weil es Ihnen gerade in den Kram passt.
Es geht im Kern nicht um die Muslime, sondern es geht im Kern um die Selbstbestimmung, und zwar nicht nur für Muslime, sondern auch für die Juden; denn auch bei ihnen ist es nicht Tradition, im Sarg zu bestatten. Es geht um alle, die sich anders bestatten lassen wollen, als es bisher zugelassen ist. Die Menschen wollen selbstbestimmt leben; Sie aber wollen den Menschen vorschreiben, wie sie zu leben haben. Sie wollen es ihnen sogar bis in den Tod vorschreiben. Sie sind den Argumenten nicht zugänglich, die bei dieser Anhörung vorgetragen wurden. Das ist aus der Sicht der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN ein Armutszeugnis. Ich bekräftige es: Es ist Politikverweigerung. Und Politikverweigerung hat bisher noch keiner Partei gutgetan. Wer glaubt, das christliche Abendland auf dem Friedhof verteidigen zu müssen, ist weit weg von der Realität in Bayern.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU, kommen Sie bitte heraus aus Ihren politischen Schützengräben, treffen Sie eine sachgerechte Entscheidung, die den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft befördert und die nicht spaltet.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Alexandra Hiersemann (SPD): Herr Kollege, würden Sie mir zustimmen, dass die angesprochene Problematik nicht ausschließlich die Bestattung von Menschen aus anderen Regionen betrifft, sondern auch die Tatsache, dass ein hoher Anteil von über 50 % der deutschen Christen die Einäscherung bevorzugt und dafür die Sargpflicht vorgeschrieben ist? Da hilft uns also der Verweis auf Saudi-Arabien oder andere arabische Länder nicht weiter. Offensichtlich wird auch verkannt, dass es nicht um das Verbot einer Sargbestattung geht, sondern um die freie Wahl auch für deutsche Christen. Christentum und christliche Tradition werden ja anschließend noch Debattengegen- stand in diesem Hohen Hause sein. Da ist überhaupt nicht zu erkennen, warum die über 50 % der deutschen Christen, die sich gerne verbrennen lassen möchten, das mit einem Sarg bewerkstelligen lassen müssen.
Vierte Vizepräsidentin Ulrike Gote: Danke sehr, Frau Hiersemann. – Herr Mistol, bitte.
Jürgen Mistol(GRÜNE): Frau Kollegin, ich kann es kurz machen. Ich stimme Ihnen vollumfänglich zu. Allerdings habe ich den Eindruck, dass den Kolleginnen und Kollegen der CSU die Dimension dieses Themas bisher nicht aufgegangen ist, obwohl wir sehr lange im Ausschuss darüber diskutiert haben und obwohl wir nicht zum ersten Mal mit einem solchen Gesetzentwurf konfrontiert sind. Auch wir GRÜNE haben schon einmal einen solchen Gesetzentwurf eingebracht. Wir haben das wirklich von vorn bis hinten durchdiskutiert.
(Manfred Ländner (CSU): Wir werden auch weiterhin darüber reden!)
Sie sind sich bis heute der Dimension dieses Themas leider nicht bewusst.
(Beifall bei den GRÜNEN – Manfred Ländner (CSU): Ich stelle fest, wenn man nicht eurer Meinung ist, dann ist man blöd!)