Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen!
Fair müssen sie sein, die Regeln in einem Parlament. Faire Regeln sind kein Gnadenakt der Parlamentsmehrheit nach dem Motto: Wir sind die meisten, wir schaffen an. – Der eben vom Kollegen Mehring gebrachte Redebeitrag hat wieder gezeigt, dass die- ses Motto jetzt auch bei den FREIEN WÄHLER gilt. Da hat sich also nichts geändert.
(Beifall bei den GRÜNEN sowie Abgeordneten der SPD)
Ich muss sagen: CSU und FREIE WÄHLER hätten die Chance gehabt, den selbst propagierten Stil eines guten Miteinander gleich in die Tat umzusetzen und bei der Änderung der Geschäftsordnung auf eine breite Mehrheit zu setzen.
Wir GRÜNEN erkennen an, dass Sie uns jetzt nochmals ein Stück weit entgegengekommen sind. Wir finden es gut, dass Sie da nochmals die Hand ausgestreckt haben. Aber das ist zu wenig, um zustimmen zu können. Trotzdem haben Sie das, was Ihnen wichtig ist, durchgesetzt, und zwar mit Ihrer eigenen Mehrheit. Wir waren in manchen Teilen gar nicht mehr so weit auseinander. Es hätte sich wirklich gelohnt, dass man da aufeinander zugeht.
(Zuruf des Abgeordneten Dr. Fabian Mehring (FREIE WÄHLER))
Geschäftsordnungsdebatten sind immer Debatten über das Selbstverständnis eines Parlaments. Hier sendet die schwarz-orange Koalition unter dem Strich ein Signal aus, das sich in sehr reflexartig vorgenommene Geschäftsordnungsänderungen der CSU-Alleinregierung in den letzten Jahren nahtlos einreiht. Ich erinnere nur an die Änderung der Redezeiten 2014. Eine einzelne, damals von der Opposition angestrengte und für die CSU sehr unangenehme Debatte zur damaligen Staatskanzlei-Chefin Haderthauer hat dazu geführt, dass die damals noch alleinregierende CSU gestaffelte Redezeiten mit einem deutlichen Anstieg der Redezeit für sich selbst durchgeboxt hatte. Das geschah damals unter erheblichem Protest der FREIEN WÄHLER. Ich habe die Rede von Herrn Kollegen Florian Streibl immer noch im Ohr. Es rentiert sich, diese Rede einmal nachzulesen.
Das Signal lautete damals wie heute: Debatten im Plenum sollen möglichst kleingehalten werden. Eine Einzelberatung zu selbstständigen Bestimmungen eines Gesetzentwurfs in Erster oder Zweiter Lesung – ein Instrument, das in der letzten Periode ein einziges Mal, aber in einem sehr wichtigen Fall, zum Einsatz gekommen ist und in der Tat ausgereizt wurde – soll nun deutlich eingeschränkt werden. Sie schränken außerdem das Recht ein, Zwischenbemerkungen zu Debattenbeiträgen der anderen Fraktionen zu machen und bringen dadurch zum Ausdruck, dass Gegenreden lästig sind. Außerdem billigen Sie den kleineren Fraktionen deutlich weniger Redezeit als in der Vergangenheit zu.
(Tobias Reiß (CSU): Das stimmt nicht!)
Zur Funktionsfähigkeit: Klar ist, eine Debatte in Form von Rede und Gegenrede kostet Zeit. Das führt dazu, dass eine Sitzung auch einmal länger dauern kann. Ich frage Sie: Welchen Anspruch haben wir als Abgeordnete im Bayerischen Landtag an unsere Arbeit? Der Bayerische Landtag ist kein Feierabendparlament. Wir sind ein Arbeitsparlament. Hier geht es nicht darum, möglichst pünktlich nach Hause zu kommen, sondern sich Zeit zu nehmen, um Debatten zu führen, wenn das erforderlich ist.
Noch einmal zu den Redezeiten: Wir sind 20 Jahre lang im Bayerischen Landtag mit gleichen Redezeiten für alle Fraktionen gut gefahren. Vor vier Jahren hat die CSU die gestaffelte Redezeit durchgesetzt. Dann kam die Regel mit zwei Dritteln und einem Drittel. Zwei Drittel der Redezeit wurden zu gleichen Teilen auf die Fraktionen verteilt. Jetzt kommt eine Regel halbe-halbe. Das geht genau in die andere Richtung. Mir erschließt sich nicht, warum Sie diese Regelung gerade jetzt einführen. Wir haben eine Koalitionsregierung, sodass zwei Fraktionen den Kurs der Regierung vertreten. Nach der Verfassung kann die Staatsregierung zusätzlich jederzeit das Wort ergreifen. Sollte die Regierung im Wesentlichen mit sich selbst reden, leidet dadurch die Debattenkultur in diesem Land.
(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der FDP)
Kolleginnen und Kollegen, der Regierung lobzuhudeln, hat noch kein einziges Problem gelöst.
Noch kurz zum Thema Zwischenbemerkung: Was ist eigentlich der Sinn einer Zwischenbemerkung? – Damit soll es möglich sein, auf Widersprüche hinzuweisen, auf Vorwürfe zu reagieren und falsche Behauptungen geradezurücken, und zwar nach jedem Debattenbeitrag. Warum jetzt eine Beschränkung eingeführt wird, ob- wohl es doch angeblich noch kein Problem gegeben hat, erschließt sich mir nicht.
(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der FDP)
Kolleginnen und Kollegen, uns GRÜNEN stellt sich die Frage: Warum werfen Sie reflexartig ein Instrument über Bord, das mit Bedacht in die Geschäftsordnung aufgenommen wurde und das sich bewährt hat? Der Bayerische Landtag hat sich im Jahr 2005 unter Alois Glück zum Ziel gesetzt, im Sinne eines lebendigeren Parlaments mit Hilfe der Geschäftsordnung die Abläufe interessanter und attraktiver zu gestalten. Anfang November hat Ministerpräsident Dr. Söder erklärt, dass das Ringen um das Beste den Parlamentarismus stark mache. Wer der Opposition Debat- teninstrumente beschneidet, schwächt den Parlamentarismus. Wir GRÜNEN wün- schen uns intensive Debatten, die manchmal auch lange dauern dürfen. Wir wünschen uns ein lebhaftes Parlament und ein faires Miteinander hier im Hause.
Zum Abschluss: Wir werten das kleine Stück, das die CSU und die FREIEN WÄHLER aktuell auf uns zugekommen sind, als Entgegenkommen.
(Dr. Fabian Mehring (FREIE WÄHLER): Hört, hört!)
Dieses kleine Stück reicht aber nicht aus, um diesem Antrag zuzustimmen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der FDP)