Rede Jürgen Mistol
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen!
Das Thema Straßenausbaubeiträge hat uns beinahe die komplette Legislaturperiode über begleitet. So intensiv wie mit diesem Thema haben wir uns zumindest im Innenausschuss mit kaum einem anderen Thema beschäftigt. Dieses Thema polarisiert und ist hochgradig emotional behaftet. Das Thema findet mit der Verabschiedung des Gesetzentwurfs durch die CSU-Mehrheit im Hause zumindest für diese Legislaturperiode ein Ende. Dennoch bin ich skeptisch, ob mit dem heutigen Tag tatsächlich das letzte Wort in dieser Angelegenheit gesprochen ist.
Kolleginnen und Kollegen, fest steht, ein kompletter Wechsel eines seit 40 Jahren bestehenden Beitragssystems hat seine Tücken. Die Beratung des vorliegenden Gesetzentwurfs der CSU hat die Krux der Abschaffung verdeutlicht. Im Zuge der Beratungen sind zahlreiche Fallkonstellationen zu Tage getreten, die neue Ungerechtigkeiten befürchten lassen. Das belegen zahlreiche Schreiben sowohl von Bürgerinnen und Bürgern als auch von Städten und Gemeinden, die im Hinblick auf die vorgesehenen Regelungen zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge erhebliche Bedenken angemeldet haben. Zu unterschiedlich gestalten sich die Bedingungen in den Kommunen beim Vollzug der noch gültigen Satzungen. Deshalb ist davon auszugehen, dass eine größtmögliche Einzelfallgerechtigkeit durch diesen Gesetzentwurf nicht er- reicht werden kann.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Das haben auch die kommunalen Spitzenverbänden in ihren Stellungnahmen ganz deutlich zum Ausdruck gebracht: Zu viele Details geben noch Anlass zur Diskussion. Ich gebe dem Kollegen Adelt wirklich recht: Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen der CSU- Fraktion, wollten die Abschaffung im Hopplahopp-Verfahren vom Tisch haben. Derart schnell ist kaum ein anderes Thema über die Bühne gegangen. Da die Mitberatungsfrist entsprechend verkürzt worden ist, ist zu befürchten, dass der Dauerzank um die Beiträge bestehen bleiben wird. Sie haben wesentliche Kritik- punkte der kommunalen Spitzenverbände nicht berücksichtigt.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Deswegen haben wir GRÜNE einen Änderungsantrag eingebracht, dessen Inhalt ich zumindest kurz skizzieren möchte. Ist der Kollege Ländner noch da? Wo ist er? – Er ist nicht mehr da. Dann kann ich ihn auch nicht mehr ansprechen. Offensichtlich ist ihm das Thema nicht so wichtig, um bei der ganzen Debatte anwesend zu sein. Ich möchte ihm mitgeben, dass jede Stichtagsregelung natürlich Härten mit sich bringt. Das ist völlig klar. Für mich sind Härten Ungerechtigkeiten. Wir GRÜNE fordern im Gegensatz zur CSU im Sinne einer verlässlichen Politik eine Stichtagsregelung zum 1. Januar 2017 – ein Jahr vor der CSU. Das halten wir für angemessen. Das kommt ins- besondere den Beitragspflichtigen entgegen.
Zudem ist auch die Forderung der kommunalen Spitzenverbände plausibel, bei der Konkretisierung des Wortlautes des Gesetzes auf den Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht abzustellen, weil diese an objektive und nachprüfbare Kriterien geknüpft ist. Gerade für Vorauszahlungen – die Vorredner haben es bereits gesagt – ergeben sich gravieren- de Unterschiede zwischen den Gemeinden und damit auch für die einzelnen Beitragspflichtigen. Da es sich bei der Erhebung um Ermessensentscheidungen der jeweiligen Gemeinden handelt, können diejenigen, die es sich leisten können, nachträglich abrechnen, wenn alles vorbei ist, die anderen fordern Vorausleistungen. Es ist nicht nachvollziehbar, wie das gehandhabt wird. Vorauszahlungen werden nicht einheitlich für alle Maßnahmen erhoben. Durch eine erweiterte Stichtagsregelung und das Abstellen auf die sachliche Beitragspflicht sollen nach Vorstellung von uns GRÜNEN derartige Ungerechtigkeiten zumindest abgemildert werden.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Jetzt ist Herr Kollege Ländner wieder da. Jetzt kann ich ihn auch ansprechen. Sie sagen: Bescheid ist Bescheid. Das ist eine schöne und einfache Worthülse. Mit dieser rigorosen Haltung werden Sie Schiffbruch erleiden. Das sage ich Ihnen jetzt schon voraus.
(Klaus Adelt (SPD): Gewaltig!)
Das wird so nicht akzeptiert werden.
Kolleginnen und Kollegen, viele Städte und Gemein- den haben in der aktuellen Übergangsphase und in Erwartung eines Klarheit schaffenden Gesetzentwurfes bewusst auf die Ausschreibung von Straßenausbaumaßnahmen verzichtet. Oftmals stehen hinter solchen Maßnahmen jahrelange aufwendige Planungen. Die Voraussetzungen für die Erstattung ergangener Beitragsmaßnahmen sollten deshalb auch auf Aufwendungen für Ausführungsplanungen erweitert wer- den. Das ist auch von den kommunalen Spitzenverbänden vorgeschlagen worden.
Außerdem soll gewährleistet werden, dass die Höhe der Erstattungsleistungen insgesamt nicht durch die in einem Kalenderjahr zur Auszahlung im Staatshaushalt bereitgestellten Mittel begrenzt ist. Das steht in unserem Änderungsantrag. Für uns GRÜNE steht fest, dass die Kommunen für den Wegfall der Straßenausbaubeiträge wirklich vollumfänglich entschädigt werden müssen. Wir wollen nicht, dass am Ende die Kommunen auf den Kosten sitzen bleiben, indem die Kosten auf die Kommunen abgewälzt werden.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Eines möchte ich für die GRÜNEN sagen: Für uns steht der Straßenerhalt über dem Straßenneubau. Die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge darf nicht dazu führen, dass kommunale Straßen, insbesondere in den finanzschwachen Kommunen, verlottern und der Sanierungsstau, der heute schon vorhanden ist, größer wird. Bei Straßenausbaubeiträgen geht es nicht nur um die Straße selber, sondern auch um Rad- und Gehwege. Diese müssen sicher sein. Es muss gewährleistet sein, dass dieses Vermögen, das der Allgemeinheit gehört, nicht abhandenkommt.
Aus diesen Gründen ist es entscheidend, dass die Finanzierung für künftige Ausbaumaßnahmen seitens des Freistaats und in enger Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden auf solide finanzielle Beine gestellt wird. Die derzeit in Rede stehenden 100 Millionen Euro pro Jahr werden die Städte und Gemeinden unabhängig vom Verteilmodus nicht in die Lage versetzen, das Ganze ausreichend finanzieren zu können. Das reicht tatsächlich vorne und hinten nicht. Klar ist auch, dass beim Wegfall der Straßenausbaubeiträge – das muss man wahrheitshalber sagen – nicht nur die Grundstücksbesitzerinnen und Grundstücksbesitzer, sondern alle Steuerzahlerinnen
und Steuerzahler, alle Bürgerinnen und Bürger, künftig für den Straßenausbau aufkommen müssen. Daran führt schlicht und einfach kein Weg vorbei.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Kolleginnen und Kollegen, weil den Forderungen in unserem GRÜNEN-Änderungsantrag nicht Rechnung getragen wurde, werden wir uns bei dem Gesetzentwurf der CSU enthalten. Den Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER lehnen wir ab. Er ist tatsächlich nicht bezahlbar. Wenn schon jemand aus der SPD sagt, das sei nicht bezahlbar, heißt das was.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Kolleginnen und Kollegen, die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge geht gerechter. Davon bin ich überzeugt. Das letzte Wort in dieser Angelegenheit ist sicher auch noch nicht gesprochen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Zwischenbemerkung Bernhard Pohl
Herr Kollege Mistol,
Sie haben gesagt, es werde Härten und Ungerechtigkeiten geben. Bei Letzterem muss ich Ihnen widersprechen. Über die Frage, was gerecht und ungerecht ist, entscheidet dieses Parlament. Hierzu gibt es verschiedene Auffassungen. Die CSU hält "Bescheid ist Bescheid" für gerecht. Die GRÜNEN, die FREIEN WÄHLER und die SPD stellen auf das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht ab. Daran kann man ermessen, was gerecht für die einen und gerecht für die anderen bedeutet.
Der zweite Punkt betrifft das Verlottern der Straßen. Wir sagen Nein. Deswegen fordern wir nicht nur 150 Millionen Euro zur Kompensation für die wegfal- lenden Straßenausbaubeiträge, sondern zusätzliche 150 Millionen Euro für den kommunalen Straßenbau durch eine Erhöhung des Anteils am Kraftfahrzeugs- teuerersatzverbund, wie es früher einmal war.
Drittens muss ich eine Frage an Sie stellen: Der Entwurf der GRÜNEN legt den 01.01.2017 fest. Im Nach- tragshaushalt stellen Sie jedoch kein Geld dafür be- reit, um die Zahlungen für diejenigen, die ab dem 01.01.2017 bezahlt haben, abwickeln zu können. Das müssen Sie tun. Wir beraten gerade den Nachtrags- haushalt. Wir wollen für vier Jahre 250 Millionen Euro bereitstellen. Das ist übrigens bezahlbar. Sie sagen, das sei völlig unbezahlbar. Das ist bezahlbar. Das
steht in unserem Entwurf zum Nachtragshaushalt. Sie müssen nachbessern. Ansonsten bleiben die Kommunen auf diesem Geld sitzen. Das wollen wir nicht. Ich hoffe, Sie wollen das auch nicht.
(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)
Vierte Vizepräsidentin Ulrike Gote: Danke schön. – Herr Mistol, bitte schön.
Jürgen Mistol (GRÜNE): Herr Kollege Pohl, was ge- recht ist, bestimmen nicht wir im Parlament. Das ist vielleicht die juristische Sicht der Dinge. Ich bin kein Jurist. Was die Menschen draußen als gerecht empfinden, das können wir nicht beschließen. Es ist egal, was wir heute beschließen werden. Dies wird von einem Teil der Leute als ungerecht empfunden wer- den. In diesem Punkt bin ich mir ganz sicher. Die Leute, die dies als ungerecht empfinden, würde ich zu Ihnen schicken. Dann können Sie diesen Leuten sagen: Das ist aber gerecht.
(Bernhard Pohl (FREIE WÄHLER): Ja!)
Sie können die Diskussion führen. Diese Diskussion bringt uns jedoch nicht weiter. Es ist schön, wenn Sie das im Nachtragshaushalt mit einem eigenen Antrag unterfüttern und daran glauben, dass dem tatsächlich zugestimmt wird.
(Bernhard Pohl (FREIE WÄHLER): Dann brauchen wir keine Anträge mehr zu stellen!)
Sie waren im Innenausschuss dabei. Dort hat die CSU signalisiert, wie sie mit den Änderungsanträgen der Opposition umzugehen gedenkt. Was wir beantra- gen, wird nicht ausgeführt. Insofern ist das Erbsenzählerei. Das müssen wir nicht machen.
(Beifall bei den GRÜNEN)