Rede von Jürgen Mistol
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen!
Wenn jemand einen Häuserblock mit 200 Wohnungen ohne Tiefgarage bauen darf, spart er dadurch etwa 2 Millionen Euro ein, Geld, das er stattdessen für mehr Wohnqualität ausgeben kann. Das Projekt "Autofreie Mustersiedlung" in Wien, das bereits im Jahr 2000 verwirklicht wurde, hat gezeigt, dass Mieterinnen und Mieter dafür gerne auf Stellplätze verzichten, insbesondere weil sie ganz grundsätzlich ohne eigenes Auto leben oder leben wollen. So etwas gibt es, liebe Kolleginnen und Kollegen, und das nimmt auch zu.
Statt ungenutzter Parkplätze werden den Anwohnern aus den eingesparten Garagenkosten zusätzliche Gemeinschaftseinrichtungen wie Kinderspielplätze, Dachbeete, Sportplätze, E-Bikes, kostenlose Fahrten für den öffentlichen Nahverkehr oder vom Bauträger subventioniertes Carsharing angeboten. Nicht nur in der Radlhauptstadt München, auch in anderen bayerischen Städten erfreuen sich solche Projekte einer großen Nachfrage.
Entscheidend ist – das ist auch die Hauptintention unseres Gesetzentwurfs -, dass die Abschaffung der gesetzlichen Stellplatzpflicht die Kosten beim Wohnungsbau spürbar mindert und zur Entschärfung der angespannten Situation auf dem bayerischen Wohnungsmarkt beitragen kann.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Kolleginnen und Kollegen, an dieser Stelle möchte ich mich auch – jetzt ist er leider nicht da – bei Erwin Huber dafür bedanken, dass die Initiative zu der Anhörung, die im Juli im Wirtschaftsausschuss stattgefunden hat, von ihm gekommen ist. Dies zeigt, dass es in Sachen Stellplätze sehr wohl Diskussionsbedarf gibt. In dieser Anhörung bestätigte sich, dass die gesetzliche Pflicht zur Schaffung von Stellplätzen vor allem beim öffentlich geförderten Wohnungsbau als Kostentreiber wirkt. Trotzdem wollen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, von den FREIEN WÄHLERN und von der SPD, an der bisherigen Regelung in der Bayerischen Bauordnung festhalten. Dabei hat Herr Kroner vom Verband der Wohnungswirtschaft attestiert, dass die Leerstandsquote von Tiefgaragen im geförderten Wohnungsbau zum Teil bei über 50 % liegt, während sich der Pkw-Bestand bei sozialwohnungsberechtigten Haushalten gerade einmal auf 0,2 % bis 0,5 % beläuft.
Auch das Forum "Gemeinschaftliches Wohnen" machte in seiner Stellungnahme mehr als deutlich, dass es bei Wohnprojekten nach dem Konzept des autoreduzierten Wohnens wegen zu hoher bürokratischer Hürden oftmals gar nicht zu einer Reduzierung von Stellplätzen kommt. In Berlin wurde die Stellplatzsatzung bereits in den 90er-Jahren abgeschafft. Seit diesem Jahr gibt es auch in Hamburg keine Stellplatzpflicht mehr. Der Verband der Wohnungswirtschaftkonstatierte im Rahmen der Landtagsanhörung eben falls, dass die Abschaffung der Stellplatzpflicht von den wohnungspolitischen Akteuren in Berlin als Erfolg gewertet wird: So könne auf die individuellen Bedürfnisse der jeweiligen Wohnungsprojekte besser Rücksicht genommen werden.
Dass es bei einer Abschaffung der Stellplatzpflicht beispielsweise in der Münchner Innenstadt keine Stellplätze mehr geben würde, bezweifle ich stark; denn Bauherren wollen den Bewohnerinnen und Bewohnern auch künftig Parkplätze anbieten. Das ist aus meiner Sicht klar eine Sache von Angebot und Nachfrage.
Wir GRÜNEN wollen, dass dort, wo es keinen Bedarf an Stellplätzen gibt, unbürokratisch auf die Errichtung von Stellplätzen verzichtet wird. Stattdessen soll eine individuelle Stadt- und Verkehrsplanung ermöglicht werden, zumal sich der Stellplatzbedarf in den bayerischen Kommunen ohnehin äußerst unterschiedlich darstellt.
Lassen Sie mich zum Schluss Franz Josef Strauß zitieren. Er hat einmal gesagt: "Probleme kann man nicht durch Aussitzen, Verschweigen und Ausschwitzen erledigen." Wenn Sie schon unserem Problemlösungsansatz für eine Absenkung der Gestehungskosten von Wohnungen nicht zustimmen wollen, erwarte ich, dass Sie wenigstens selbst Lösungen anbieten.
(Beifall bei den GRÜNEN)