Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen!
Gestatten Sie mir zwei Vorbemerkungen. Herr Kollege Wengert, Ihre Initiative leuchtet mir nicht ganz ein, nachdem wir erst kürzlich über den Erfahrungsbericht im Kommunalausschuss diskutiert haben und die Staatsregierung einen eigenen Gesetzentwurf angekündigt hatte, um die gemachten Erfahrungen in Gesetzesform zu gießen. Wir hatten eigentlich im Kommunalausschuss ausgemacht, auf die Vorlage eigener Gesetzentwürfe zu verzichten. Nichtsdestoweniger handelt es sich um eine Forderung, die auch die GRÜNEN-Landtagsfraktion – Sie haben selber darauf hingewiesen – bereits mehrfach erhoben hat. Ich freue mich natürlich immer, wenn auch die SPD nach reiflicher Überlegung, wie Sie es ausgedrückt haben, nach zweieinhalb Jahren ihre Position ändert und eine Position der GRÜNEN übernimmt.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, an den Argumenten des Für und Wider zum Wahlrecht für EU-Bürgerinnen und EU-Bürger bei Bezirkstagswahlen hat sich grundsätzlich nichts geändert. Sie haben darauf hingewiesen. Frau Kollegin Schulze und ich haben eine Schriftliche Anfrage zu diesem Thema auf den Weg gebracht. Entgegen der Staatsregierung, die verfassungsrechtliche und europarechtliche Bedenken geäußert hat, befürwortet der Bezirketag längst – darauf muss man hinweisen – die Erweiterung des aktiven und passiven Wahlrechts auf die EU-Bürgerinnen und EU-Bürger. Herr Kollege Lorenz, die Rechtsauffassung der Staatsregierung muss nicht immer die richtige sein. Zu Recht ist darauf hingewiesen worden, dass sich in den Kommentaren einiges tut und die Rechtslage alles andere als eindeutig ist.
Kolleginnen und Kollegen, wir sind vielmehr der Auffassung, dass eine Änderung des Bezirkswahlgesetzes weder dem Grundgesetz noch dem EU-Recht entgegenstehen würde. Nach Artikel 22 des Grundgesetzes sind bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden auch Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Union besitzen, wahlberechtigt und wählbar. In Verbindung mit dem einschlägigen Artikel der Bayerischen Verfassung ist aus unserer Sicht eindeutig, dass die Bezirksebene die dritte kommunale Ebene im Freistaat darstellt. Deshalb ist es folgerichtig, das Wahlrecht nicht wie bisher auf Gemeinde- und Landkreiswahlen zu beschränken.
Auf der Grundlage des Europarechts lässt sich aus unserer Sicht nicht begründen, dass Unionsbürgern bei Bezirkstagswahlen, anders als bei Gemeinde- und Landkreiswahlen, kein aktives und passives Wahl- recht zukommen sollte. Der Ausschluss von der Teilnahme an den Bezirkswahlen ist nicht mit der Gewährleistung des Wahlrechts bei Kommunalwahlen nach dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union und Artikel 40 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vereinbar. Das Kommunalwahlrecht ist Kernstück der Unionsbürgerschaft. Damit es als partizipatorisches Mittel der Integration funktioniert, ist der Begriff der Kommunalwahl weit auszulegen mit der Folge, dass alle in einem Mitgliedstaat existierenden Ebenen der kommunalen Selbstverwaltung in diese Garantie einzubeziehen sind. Nur weil die berühmte Richtlinie 94/80/EG über die Einzelheiten der Ausübung des aktiven und passiven Wahl- rechts bei Kommunalwahlen die bayerischen Bezirke nicht explizit als lokale Gebietskörperschaften der Grundstufe aufzählt, sind diese im Umkehrschluss nicht automatisch ausgeschlossen. Das muss man ganz deutlich sagen.
Kolleginnen und Kollegen von der CSU, ich bitte Sie deshalb, sich nicht länger hinter der fadenscheinigen Auslegung von Gesetzen zu verstecken. Stimmen Sie dieser längst überfälligen Anpassung des Bezirkwahlgesetzes zu.
(Beifall bei den GRÜNEN)