Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen,
um es gleich zu Beginn in aller Deutlichkeit zu sagen: Die CSU verpasst heute eine große Chance, um das kommunale Ehrenamt zu stärken und bestehende Ungerechtigkeiten zu beseitigen.
(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN und der SPD)
Starke Kommunalparlamente sind das Rückgrat einer lebendigen Demokratie vor Ort. In der Anhörung, die im Ausschuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport stattgefunden hat, ist deutlich geworden: Das kommunale Mandat lässt sich heutzutage oftmals nicht mit den Herausforderungen der modernen Arbeitswelt in Einklang bringen und verliert dadurch immer mehr an Attraktivität. Alle außer den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes sind in Sachen Freistellung auf das Wohlwollen des Arbeitgebers angewiesen; Kollege Scheuenstuhl hat schon darauf hingewiesen. Es darf aber nicht sein, dass man dafür "bitte, bitte" sagen muss.
(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)
Um Konflikte oder gar Nachteile am Arbeitsplatz zu vermeiden, scheuen viele Beschäftigte vor der Übernahme eines kommunalen Mandats zurück, das heißt, sie ziehen eine Kandidatur gar nicht in Erwägung. Deswegen wird es für Parteien und Wählergruppierungen immer schwieriger, insbesondere junge Leute für ein kommunales Ehrenamt in politischen Gremien zu gewinnen. Es ist aber wichtig, dass die Kommunalparlamente die Gesellschaft ausgewogen abbilden. Daher sprechen wir GRÜNEN uns deutlich dafür aus, berufstätigen Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern einen gesetzlichen Freistellunganspruch einzuräumen.
Den Gesetzentwurf der SPDFraktion tragen wir vollumfänglich mit.In unserem Antrag, der heute ebenfalls zur Abstimmung steht, gehen wir noch weiter, indem wir bei der Aufnahme eines gesetzlichen Freistellunganspruchs auch die Situation von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Gleitzeit oder mit vollständig flexiblen Arbeitszeiten berücksichtigen. Außerdem fordern wir die Einführung eines Anspruchs auf Urlaub für die kommunalpolitische Weiterbildung; denn Fortbildung und Qualifizierung leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Sicherung der Qualität in der Ratsarbeit. Das ist auch von Expertenseite sehr deutlich zum Ausdruck gebracht worden.
Wenn Sie gewollt hätten, hätten Sie das auch gehört, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU. Die Anhörung hat ebenfalls bestätigt, dass ein Freistellungsanspruch vor allem zur Rechtssicherheit beiträgt und die Position der Beschäftigten gegenüber den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern stärkt. In NordrheinWestfalen ist ein Freistellungsanspruch bereits seit 1969 gesetzlich verankert und damit längst selbstverständlich. Eigentlich sollte das auch bei uns schon lange der Fall sein.
(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, das von Ihnen immer wieder gezeichnete Bild des ehrenamtlichen Feierabendpolitikers stimmt so nicht mehr. Sie haben offensichtlich wieder einmal die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind im Rahmen unterschiedlichster Arbeitszeitmodelle zum Beispiel Gleitzeit oder Schichtdienst tätig. Sie brauchen verbindliche Regelungen, um ein kommunales Mandat vernünftig ausüben zu können.
(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)
Laut Artikel 121 der Bayerischen Verfassung sollen Staat und Gemeinden den ehrenamtlichen Einsatz für das Gemeinwohl fördern. Diesen hehren Worten müssen Sie von der CSU endlich Taten folgen lassen. Die Gewährung eines gesetzlichen Freistellunganspruchs wäre ein erster, längst überfälliger Schritt, um das kommunale Ehrenamt zu stärken. Diese Chance lassen Sie heute leider erneut verstreichen. Das ist schade. Die kommunalen Mandatsträgerinnen und Mandatsträger hätten es verdient, dass auch Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, mehr Engagement zeigen würden.
(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)