Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen!
An Wahlabenden hört man immer insbesondere ein Wort, insbesondere von denen, die die Wahl verloren haben. Auch Ministerpräsident Söder hat dieses Wort am 14. Oktober gebraucht.
(Lachen bei Abgeordneten der CSU)
Bei der Hessenwahl war es allgegenwärtig. Im Kontext von Wahlen wird das Wort fast inflationär gebraucht. Mir fällt das Wort immer ein bisschen auf, da wir es ansonsten selten benutzen. Es klingt sogar ein bisschen antiquiert. Die meisten wer- den schon draufgekommen sein, um welches Wort es geht: Es ist das Wort "Demut". Wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, das Wahlergebnis erklärtermaßen mit Demut annehmen, dann sollte man davon auch an Ihrem Verhalten etwas merken. Oder Sie spüren doch weniger Demut und haben das Wahlergebnis eher als Demütigung oder als Zumutung empfunden, wie auch immer. Bei der Frage, ob Ihnen bei diesem eher desaströsen Wahlausgang nicht nur das Vorschlagsrecht für die Präsidentin, sondern zusätzlich das für den Ersten Vizepräsidenten zusteht, zeigt sich wieder ein Stück Hochmut. Nein, zu viel Demut wollen Sie offensichtlich nicht zulassen. Sie organisieren lieber Besitzstandswahrung, oder wie es der Kollege Blume gesagt hat: "‘Weiter so‘ ist doch nicht per se schlecht". Ob diese Strategie erfolgreich ist? – Wir lassen uns überraschen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Zentrum der heutigen Geschäftsordnungsdebatte steht die Wahl des Präsidiums des Bayerischen Landtags. Es ist gut und richtig, dass nach dem gemeinsamen Antrag auch den kleinen Fraktionen ein Vorschlagsrecht auf das Amt der Vizepräsidentin oder des Vizepräsidenten zusteht. Dafür hat sich unsere Fraktion schon in den vergangenen Legislaturperioden stark gemacht, so auch in dieser wieder. Die CSU hatte im Vorfeld andere Varianten ins Spiel gebracht. Damit kommt die Auffassung von uns GRÜNEN zum Ausdruck, dass es sich beim Präsidium um ein Kollegialorgan handelt, in dem sich grundsätzlich Vertreterinnen und Vertreter aller Fraktionen auf Augenhöhe begegnen und jede Fraktion Verantwortung dafür übernimmt, die Präsidentin bei ihrer Amtsführung zu unterstützen. Eine Vizepräsidentin bzw. ein Vizepräsident ist Repräsentant des Landtags. Das kann nach unserer Überzeugung nur jemand sein, der für den Geist der Verfassung steht und die Würde des Parlaments achtet, wahrt und schützt. Gleiches gilt auch für noch zu besetzende Positionen wie beispielsweise die der Ausschussvorsitzenden. Da sage ich: Da ist nicht jede und nicht jeder geeignet. Für diese Abwägung werden wir GRÜNE uns die gebotene Zeit nehmen.
Kolleginnen und Kollegen, wir sind Abgeordnete mit freiem Mandat und aus- schließlich unserem Gewissen verpflichtet. Dieser Grundsatz gilt auch bei der Wahl der Vizepräsidenten und weiterer Personen, für die eine Fraktion das Vorschlags- recht hat. Die Gewissensentscheidung steht über dem Vorschlagsrecht. Das sage ich für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN klipp und klar. Es geht um nichts mehr und um nichts weniger als um den Respekt des Parlaments vor sich selbst.
Kolleginnen und Kollegen, ich sehe es als ein gutes Zeichen, dass sich die demokratischen Fraktionen im Bayerischen Landtag auf einen gemeinsamen Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung geeinigt haben, obwohl die Vorstellungen – ich habe darauf hingewiesen – nicht deckungsgleich waren. Die getroffenen Änderungen haben das Ziel, den Landtag mit nunmehr sechs Fraktionen arbeitsfähig zu machen. Ich bedanke mich bei den Kolleginnen und Kollegen der CSU, der FREIEN WÄHLER, der SPD und der FDP für das Zusammenwirken, wodurch wir diese Änderungen gemeinsam auf den Weg gebracht haben. Ich bin daher durchaus optimistisch, dass wir in den nächsten Wochen die noch anstehenden weiter erforderlichen Geschäftsordnungsänderungen gut auf den Weg bringen werden. Wir GRÜNE als stärkste Oppositionsfraktion wollen und werden hier klare Akzente setzen. Wir setzen uns für eine Stärkung der Debattenkultur, der Minderheitenrechte sowie der Transparenz und Kontrolle der Regierung ein. Zu einer Stärkung der Debattenkultur im Landtag gehört die Möglichkeit der effektiven Wahrnehmung des Rechts auf Rede und Gegenrede. Auch kleinen Fraktionen im Landtag muss eine ausreichende Redezeit zustehen. Die Erfahrung zeigt, dass die Debattenkultur dann leidet, wenn die Regierungsfraktionen einen Großteil der Redezeiten für sich in Anspruch nehmen und die Regierung quasi mit sich selbst spricht. Monologe sind keine Debatte.
(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD und der FDP)
Kolleginnen und Kollegen, zur Stärkung der Debattenkultur könnten wir GRÜNE uns die Einführung des Instruments der Regierungsbefragung vorstellen. Dieses Instrument hat großes Potenzial für die politische Auseinandersetzung, die öffentliche Wahrnehmung und die Teilnahme an der politischen Debatte, wie die Erfahrungen aus anderen Bundesländern wie zum Beispiel Baden-Württemberg oder aus dem Bundestag zeigen. Auch hier gilt: Demut ist nicht nur etwas, was man als Politikerin oder Politiker nach einer verlorenen Wahl zeigen sollte. Demut, liebe Kolleginnen und Kollegen, tut dem parlamentarischen Alltag gut. Der Begriff Demut kommt schließlich von dienstwillig, er beschreibt also eigentlich die Gesinnung eines Dienenden. Das Parlament ist kein Selbstzweck und es ist mehr als eine Bühne, auf der politische Scharmützel ausgetragen werden. Es ist ein Ort, an dem wir 205 gewählten Volksvertreterinnen und Volksvertreter darüber verhandeln, was Bayern und seinen Menschen guttut. Unsere vornehmste Aufgabe als Parlamentarierinnen und Parlamentarier ist es, die Gesellschaft, unsere bayerische Gesellschaft, zusammenzuhalten und nicht zu spalten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, gehen wir als Bayerischer Landtag bei dieser Aufgabe mit gutem Beispiel voran.
(Beifall bei den GRÜNEN, den FREIEN WÄHLERN, der SPD und der FDP)