Manch dunkle Wolke am Himmel, aber auch viel Sonnenschein begleiteten den aktuellen Aufenthalt Von Jürgen Mistol in Prag. Diese Mischung passte gut zur Stimmung der Jahreskonferenz des Deutsch-Tschechischen Gesprächsforums, die im Außenministerium der Tschechischen Republik stattfand. Unter dem Motto
„80 Jahre nach Kriegsende: Die deutsch-tschechischen Beziehungen im Lichte der aktuellen Herausforderungen“
stand ein Thema im Mittelpunkt, das für Europa grundlegender nicht sein könnte: Wie halten wir unsere Nachbarschaft stark in einer Zeit, in der politische und gesellschaftliche Gewissheiten ins Wanken geraten?
In meinem Statement auf dem Podium zur interparlamentarischen Zusammenarbeit habe ich betont, dass die historischen Erfahrungen der beiden Länder weit mehr sind als ein Kapitel im Geschichtsbuch. Sie sind ein klarer Auftrag, stabile und verlässliche Beziehungen zu pflegen – gerade heute.
Nach den langen Jahren nationalistischer und totalitärer Regime – in der Tschechoslowakei bis 1989, in Deutschland mit der Zäsur von 1945 – hat insbesondere der europäische Einigungsprozess als Gamechanger gewirkt. Er hat den Grundstein gelegt für eine moderne Partnerschaft in Freiheit, Frieden und demokratischer Selbstbestimmung. Dass diese Entwicklungen gleichzeitig eine gemeinsame wirtschaftliche Erfolgsgeschichte ermöglicht haben, zeigt, wie eng Politik, gesellschaftliche Stabilität und wirtschaftliche Zusammenarbeit miteinander verknüpft sind.
Heute, 80 Jahre nach Kriegsende, stellen sich neue Herausforderungen: geopolitische Spannungen, die Zukunft der Europäischen Union, Transformationen in Energie, Wirtschaft und Sicherheit, der Umgang mit Desinformation – und nicht zuletzt die Frage, wie demokratische Institutionen handlungsfähig bleiben können. Gerade hier kann die deutsch-tschechische Zusammenarbeit Orientierung geben.
Ein zentraler Teil der Konferenz widmete sich der Frage, wie die neu gewählten Parlamente in Deutschland und der Tschechischen Republik künftig zusammenarbeiten können. Die Diskussion machte deutlich: Eine aktive, kontinuierliche und gut koordinierte interparlamentarische Zusammenarbeit ist ein unverzichtbares Element moderner Außen- und Europapolitik.
Dabei ging es um mehrere Kernfragen:
Wie können Parlamente dazu beitragen, gemeinsame Positionen gegenüber globalen Herausforderungen zu entwickeln?
Welche konkreten Formate – von gemeinsamen Ausschusssitzungen bis hin zu thematischen Taskforces – bieten sich für die Zukunft an?
Welche Rolle spielen junge Abgeordnete und neue politische Kräfte?
Wie kann man die Zusammenarbeit breiter in der Gesellschaft verankern, etwa durch enge Verbindungen von Parlamenten zu Kommunen, Hochschulen, Verbänden oder Bürgerinitiativen?
Die Diskussion zeigte deutlich, dass der politische Wille vorhanden ist, bestehende Strukturen weiterzuentwickeln und neue Formen der Kooperation zu erproben. Besonders die gemeinsame Arbeit an Themen wie europäischer Energiesicherheit, Digitalisierung, Menschenrechten oder regionaler Infrastruktur wurde als Chance benannt, den Austausch noch stärker zu vertiefen.
Auf dem Podium kamen unterschiedliche politische und gesellschaftliche Hintergründe zusammen – ein wichtiges Zeichen für das breite Interesse am deutsch-tschechischen Dialog. Diskutiert haben:
Olga Richterová, Abgeordnete, Piráti
Tomáš Czernin, Senator, TOP 09
Helena Válková, Abgeordnete, ANO
Marko Schiemann, MdL, CDU
Gerhard Hopp, MdL, CSU
Jürgen Mistol, MdL, Bündnis 90/Die Grünen
Moderation:
Jörg Nürnberger, Ko-Vorsitzender des Beirats des Deutsch-Tschechischen Gesprächsforums
Die Vielfalt der politischen Positionen machte deutlich, dass die deutsch-tschechischen Beziehungen fest im demokratischen Spektrum verankert sind. Gerade diese Breite ist ein großer Vorteil für eine Partnerschaft, die im besten Sinne europäisch ist.
Die Konferenz hat einmal mehr gezeigt, wie wichtig es ist, politische Beziehungen kontinuierlich zu pflegen – gerade in Zeiten, in denen Europa gleichzeitig vor Umbrüchen und Chancen steht. Eine starke deutsch-tschechische Partnerschaft braucht direkte Begegnungen, lebendige parlamentarische Netzwerke und den Mut, Herausforderungen gemeinsam anzugehen.
Mit der Jahreskonferenz in Prag wurde erneut ein Raum geschaffen, in dem genau diese Art von Dialog möglich ist. Die kommenden Jahre werden zeigen, wie die Parlamente unserer beiden Länder diese Impulse aufgreifen – im Interesse eines friedlichen, handlungsfähigen und solidarischen Europas.