Kommunalpolitische Entscheidungen sind für jede und jeden unmittelbar spürbar. Egal ob Wohnung, Kindertagesstätte, Schule, Straße, Radweg, Stromversorgung, Krankenhaus, Müllabfuhr oder Schwimmbad: Für die Gestaltung unseres unmittelbaren Umfelds sind in erster Linie unsere Städte, Gemeinden und Landkreise zuständig. Die Nähe und persönliche Betroffenheit erzeugt dadurch ein hohes Maß an Identifikation und macht so für viele Menschen Demokratie überhaupt erst erlebbar. Die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger Bayerns hängt dabei maßgeblich davon ab, wie gut die Kommunen ihre Aufgaben erfüllen und erfüllen können.
Die Weichen hierfür stellt zum größten Teil die Landesregierung. Egal ob Energie, Verkehr, Bildung oder Soziales. Es gibt kaum einen Bereich, der nicht die Belange unserer Kommunen betrifft. Deshalb ist es für mich als langjähriger Kommunalpolitiker nicht nur ein Herzensanliegen sondern gleichzeitig auch eine Berufung, die Interessen der kommunalen Ebene als kommunalpolitischer Sprecher der Grünen Landtagsfraktion im Landtag vertreten zu dürfen. Handlungsfähige, entscheidungskompetente und finanziell gut ausgestattete Kommunen sind die nämlich Voraussetzung für eine gute Politik für die Menschen vor Ort. Die Winterklausur der Landtagsfraktion im niederbayerischen Straubing im Januar stand deshalb ganz im Zeichen der Kommunalpolitik und unsere landespolitischen Zielsetzungen für die nächsten fünf Jahre.
Wir Landtagsgrüne fordern eine Stärkung der Mitwirkungsrechte aller Menschen, die in unseren Städten und Gemeinden leben, unabhängig vom Alter, der Herkunft oder der Staatsangehörigkeit. Dazu haben wir einen Gesetzentwurf eingebracht, der vorsieht, das Wahlalter bei Kommunalwahlen auf 16 Jahre herabzusetzen sowie das aktive und passive Wahlrecht für Unionsbürgerinnen und Unionsbürger vollumfänglich auf alle kommunalen Ebenen – einschließlich der Bezirke – auszuweiten (Drs. 17/138). Weiterhin wollen wir mit einer Gesetzesänderung die Informationsrechte kommunaler Mandatsträgerinnen und Mandatsträger auf allen Ebenen ausweiten. Bislang besteht nur auf Kreisebene ein individuelles Auskunftsrecht für Kreisrätinnen und Kreisräte, während auf Gemeinde- und Bezirkstagsebene nur das Gremium Gemeinderat und Bezirkstag als Kollegialorgan die Überwachung der Verwaltung wahrnehmen kann. Dadurch besteht die Gefahr, dass Minderheiten und kleine Gruppierungen durch Mehrheitsbeschlüsse von Informationen ausgeschlossen werden (Drs.17/1031).
Unsere Kommunen stellen hochwertige Infrastruktur und Dienstleistungen für alle Menschen im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabe zur kommunalen Daseinsvorsorgebereit. Die tun dies dauerhaft, bezahlbar und unter Berücksichtigung sozialer, kultureller und ökologischer Belange. Dennoch läuft die kommunale Daseinsvorsorge Gefahr, durch internationale Handelsabkommen in den Sog des Liberalisierungsstrudels zu geraten. Wir setzen uns dafür ein, dass die kommunale Selbstbestimmung nicht still und heimlich Privatisierungsbestrebungen zum Opfer fällt. Bereits im Rahmen der Beratungen über die EU-Konzessionsrichtlinie sind wir allen Bestrebungen zur Liberalisierung und/oder Privatisierung der Wasserversorgung entgegengetreten (Drs. 16/15709). Und auch bei den laufenden Verhandlungen zu einem Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA setzen wir uns für einen umfassenden Schutz der kommunalen Daseinsvorsorge ein (Drs.17/125).
Außerdem soll die kommunale Ebene in Bereichen der Daseinsvorsorge mehr selbstständige Entscheidungskompetenzen erhalten und durch eine gute finanzielle Ausstattung in die Lage versetzt werden, ihren Aufgaben gerecht werden zu können, so wie es das Subsidiaritätsprinzip vorsieht. Während die Staatsregierung die bayerischen Kommunen am goldenen Zügel hält, wollen wir Landtagsgrüne die finanzielle Basis der Kommunen deutlich verbessern sowie Handlungsspielräume der kommunalen Ebene in Bereichen der Daseinsvorsorge deutlich ausweiten:
Der Ausbau der Erneuerbaren kommt in Bayern gut voran. Doch es ist nicht die Staatsregierung, die die Energiewende vorantreibt, sondern sie wird weiterhin "von unten", von den Bürger/innen und den Kommunen, in die Wege geleitet. Damit wir mit der Energiewende die Wertschöpfung vor Ort stärken können, müssen wir die Kommunen unterstützen und sie als Machtbasis der Energiewende von alle unnötigen Hemmnisse befreien, damit die Menschen die Energieversorgung in ihrer Heimat wieder selbst in die Hand nehmen können. Horst Seehofer und die Staatsregierung hingegen streuen immer mehr Sand ins Getriebe einer Energiepolitik, die auf Wind, Sonne & Co. setzt und bei der Energiesparen und Energieeffizienz keine Lippenbekenntnisse sind. Jetzt soll Ministerpräsident Seehofers willkürlich festgelegte Abstandsregelung für Windräder, die sog. 10H-Regelung, tatsächlich auch Gesetz werden. Aus einem durch die Landtags-Grünen beauftragten Rechtsgutachten geht hervor, dass die 10H-Regelung nicht nur schädlich für das Klima sondern auch Arbeitsplätze vernichten und die heimische Wirtschaft schwächen würde. Zudem verstößt die Regelung gegen das mehrfach vom Bundesverwaltungsgericht bestätigte Gebot, der Windkraft substanziell Raum zu bieten. Das Rechtsgutachten ist die Arbeitsgrundlage für die Landtagsgrünen im anstehenden parlamentarischen Prozess zur Gesetzgebung und für ein mögliches juristisches Vorgehen gegen diese irrsinnige Regelung.
Grüne Infrastruktur für Stadt und Land
Kompakte Siedlungsgebiete, kurze Wege und eine gute Versorgung mit öffentlichen Verkehrsmitteln sind mehr denn je Voraussetzung für eine umweltfreundliche Fortbewegungder Menschen im Freistaat. Um attraktive Standorte für Wohnen, Handel, Gewerbe, Industrie und Dienstleistungen zu sein, müssen Kommunen Mobilität für alle sicherstellen können. Schon jetzt sind die Kommunen im Verkehrsbereich drastisch unterfinanziert. Bund und die Staatsregierung müssen nun eine sinnvolle Nachfolgeregelung zum Gemeineverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) auf den Weg bringen, damit die Kommunen den Wegfall der Investitionszuschüsse ab 2019 kompensieren sowie Vorrang auf den Unterhalt und ÖPNV legen können. Dabei ist es auch notwendig über neue Finanzierungsmodelle nachzudenken, so wie es erfolgreiche Beispiele im Ausland wie „versement transport“ in Frankreich oder die Dienstgeberabgabe in Wien vormachen. Bestandteile einer nachhaltigen Infrastrukturpolitik sind zudem Maßnahmen zum Flächensparen sowie ein zügiger Ausbau des Breitbandnetzes.
Eine vernünftige Raumplanung braucht deshalb ein Landesentwicklungsprogramm, das den drängenden Zukunftsfragen wie demografischer Wandel, Klimaschutz, Mobilität oder Entwicklung des ländlichen Raumes auch wirklich gerecht wird. Das aktuelle Landesentwicklungsprogramm der Staatsregierung kann es nicht und erweist dem Großteil der bayerischen Kommunen stattdessen einen Bärendienst. Was von der Staatsregierung als mehr Freiheit für Kommunen verkauft wird, schürt in Wirklichkeit nur den ruinösen Wettbewerb unter den Gemeinden.Im Zuge der abschließenden Beratungen zum LEP präsentierten wir Landtagsgrüne insgesamt 27 Einzelanträge, die einen wirklichen Beitrag zu einer nachhaltigen und zukunftsorientierten Landesentwicklung darstellen würden – leider ohne Erfolg!
Die ungleiche Entwicklung von Stadt und Land im Flächenstaat Bayern macht sich auch bei der Wohnraumsituation stark bemerkbar. Herausforderung der nächsten Jahre wird es daher sein, in Ballungsräumen für Menschen mit niedrigem und mittlerem Einkommen ausreichend bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Aber auch Kommunen mit sinkender Wohnungsnachfrage und dauerhaft hohem Leerstand dürfen nicht abgehängt werden. Sie brauchen Konzepte zur Festigung von Zentren und Ortskernen sowie Unterstützung beim Rück- und Umbau ungenutzter Gebäude und Siedlungsteile. Wir stehen für eine deutliche Ausweitung des öffentlich geförderten Wohnungsbaus und wollen den Anteil der Wohnungen mit Belegungsbindung erhöhen. Mit einer anderen Förderpraxis wollen wir Genossenschaften als Garanten einer nachhaltigen Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik stärken. (Drs.17/432 und 17/433). Für Herbst plane ich zudem ein Fachgespräch, dass über Strategien zum Umgang mit Immobilienbeständen in von Abwanderung geprägten ländlichen Regionen beraten soll.
Städte und Gemeinden erkennen immer stärker, dass die Gestaltung einer regionalen Bildungslandschaft ein wichtiger Standortfaktor ist und wollen diese auch selbständig gestalten. Der Prozess der Schulentwicklungsplanung durch die Kommunen hat längst begonnen. Wir Grüne im Landtag wollen die traditionelle Arbeits- und Finanzierungsteilung zwischen Land und Kommunen aufbrechen und den Kommunen mehr Freiheit geben. Da Bildung vornehmlich Landesaufgabe ist, muss Bayern in erster Linie seine Verantwortung in der Schulfinanzierung nachkommen, während Kommunen zusammen mit den Schulen die Schullandschaft nach den jeweiligen Bedürfnissen selbst gestalten sollen. Das Schulsystem, so wie es einmal gedacht war, passt nicht mehr in die heutige Zeit und wird den Herausforderungen des demografischen Wandels nicht gerecht. Absurderweise verfügen viele Gemeinden über wunderbar ausgebaute Schulhäuser, die jedoch nur von einem kleinen Teil der Schülerinnen und Schüler aus der Gemeinde besucht werden. Die meisten Schülerinnen und Schüler fahren oft 20 oder 30 Kilometerweit zu einer anderen weiterführenden Schule. Warum ist es nicht möglich, vor Ort ein Schulangebot mit verschiedenen Schulabschlüssen zu schaffen, das allen Schülerinnen und Schülern der Gemeinde offensteht? Durch eine Öffnungsklausel sollen die Schulstrukturen vor Ort den jeweiligen örtlichen Bedingungen angepasst werden können. Nur so kann die Schule letztendlich auch im Dorf bleiben (Drs. 16/13693). Und auch der Auf- und Ausbau der Ganztagsschulen ist aktiv voranzutreiben und im Haushalt zu priorisieren. Die Ganztagsbetreuung derzeit ist verwirrend, weil vielfältige Betreuungsmöglichkeiten und Fördersysteme nebeneinander bestehen.
Bayern ist ein reiches Land, dennoch ist die kommunale Finanzausstattung insbesondere im Bereich der Sozialausgaben alles andere als großzügig. Das bekommen vor allem die Kommunen zu spüren. Von 2000 bis 2011 sind die Sozialleistungen in Bayern um ca. 61 % auf 5,8 Mrd. Euro angewachsen. Allein die Ausgaben für die Eingliederungshilfe haben sich im gleichen Zeitraum um mehr als 70 % auf rund 2,2 Mrd. Wir wollen die Kommunen bei den rasant steigenden Ausgaben im Sozialbereich stärker unterstützen sowie den Fokus stärker auf die Prävention legen. Egal ob bei der Eingliederungshilfe, der Jugendhilfe, Inklusion oder Integration, die Kommunen müssen diese Herausforderungen und Kosten letztendlich auch schultern können. Der demografische Wandel stellt außerdem die Gesundheitsversorgung insbesondere im ländlichen Raum vor neue Herausforderung, die die Kommunen ohne angemessene finanzielle Basis alleine nicht bewältigen können. Zudem mangelt es den Kommunen an Unterstützung bei der Unterbringung und Betreuung von Asylbewerbern und Flüchtlingen. Auch der Bayernplan zur Barrierefreiheit im öffentlichen Raum bis 2023 ist bislang unausgereift und unterfinanziert Damit die Kommunen auch künftig ihre Aufgaben im Sozialbereich ausreichend wahrnehmen können, muss das Konnexitätsprinzip vom Freistaat endlich in einer verlässlichen und fairen Partnerschaft mit den Kommunen vollzogen werden.
Eine ausreichende finanzielle Ausstattung ist und bleibt die Grundlage für handlungsfähige Kommunen. Doch die kommunale Familie in Bayern entwickelt sich aufgrund struktureller Unterschiede immer mehr zur Zwei-Klassen-Gesellschaft. Erschwert wird die Situation durch den kommunalen Finanzausgleich, der in seiner jetzigen Form die Kluft zwischen „armen“ und „reichen“ Kommunen nicht ausgleichen kann. Die momentanen Zuschüsse setzen oft die falschen Anreize und nehmen den Kommunen viel von ihrer Gestaltungsfreiheit. Wir Grüne wollen daher die Finanzierungsinstrumente sowie den kommunalen Finanzausgleich reformieren. Dafür hatten wir Grüne eine Expertenanhörung im Landtag initiiert, damit auf fundierter Basis über die künftigen Ausgestaltung der Finanzierung diskutiert werden kann.
Um den Kommunen mehr Selbstverantwortung einzuräumen, wollen wir den Kommunen mehr zweckungebundene Finanzmittel zur Verfügung stellen, weil wir der festen Überzeugung sind, dass die Kommunen selbst am besten wissen, wofür sie Geld ausgeben. Fehlsteuerungen durch falsche Anreize können dadurch verhindert werden. Und der Gängelung der Kommunen durch oft unsinnige Förderkriterien wird damit ein Riegel vorgeschoben.
Insgesamt wollen wir den Anteil der Kommunen am allgemeinen Steuerverbund schrittweise aber zügig auf 15 Prozent anheben.
Die Gewerbesteuer wollen wir zu einer kommunalen Wirtschaftssteuer weiterentwickeln. Dadurch kann das Einnahmeniveau der Kommunen verstetigt sowie die strukturelle Einnahmeminderung und die Ausgabenerhöhung durch zusätzliche Aufgaben kompensiert werden.
Zudem müssen sich Kommunen darauf verlassen können, dass vom Staat zugesagte Finanzmittel auch zeitnah ausbezahlt werden. Dies ist derzeit regelmäßig nicht der Fall, Kommunen werden vielfach zu Zwischenfinanzierungen genötigt.