Erklärung der bayerischen Landtagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen zu den deutschen Heimatvertriebenen und Flüchtlingen
beschlossen in der Fraktionssitzung am 19. März 2025
Vor 80 Jahren endete der Zweite Weltkrieg und damit das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte. Aus Deutschland heraus wurden weite Teile Europas mit Tod und Vernichtung überzogen, wurden Völker dazu gebracht, sich zu hassen, unzählige Menschen wurden ermordet. Gleichzeitig waren etwa fünfzehn Millionen Deutsche und Deutschstämmige aus verschiedenen Staaten Mittel- und Osteuropas von Flucht, Vertreibung und Zwangsumsiedlung Leid tragend. Hunderttausende starben an Hunger, Kälte und Gewalt.
Etwa zwei Millionen Menschen fanden ab 1945 in Bayern eine neue Heimat, über die Hälfte davon waren Sudetendeutsche. Die ersten Monate und Jahre waren geprägt von Mittellosigkeit und Hunger, von beengten Wohnverhältnissen und Arbeitslosigkeit. Willkommen in Bayern fühlten sich die meisten zunächst nicht, und der Verlust der angestammten Heimat sowie der drohende Wegfall der gemeinsamen kulturellen Erfahrungen belastete die Menschen sehr.
Für uns Grüne im Bayerischen Landtag ist klar, dass
- es Unrecht ist und bleibt, dass mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs Frauen, Männer und Kinder aus ihrer Heimat und aus ihrem Zuhause vertrieben wurden, dass sie enteignet, ihres Besitzes beraubt, misshandelt und ermordet wurden.
- wir die Leistung der deutschen Heimatvertriebenen und Flüchtlinge beim Aufbau von Bayern aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs würdigen. Sie hatten wesentlichen Anteil am wirtschaftlichen Aufschwung Bayerns der 1950er Jahre.
- die damals neuen Mitbürgerinnen und Mitbürger kulturell, mit ihren Sitten und Gebräuchen ein Gewinn für den Freistaat waren und sind. Sie haben Bayern verändert und bereichert.
Selbstbestimmung und Freiheit sind Werte, die uns Grüne antreiben. Wir fühlen uns einer humanitären und friedensstiftenden Verantwortung verpflichtet, die aus der kriegsgeprägten europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts erwachsen ist. Wir stehen für Vielfalt, wollen niemandem vorschreiben, wie sie oder er zu leben hat, und befördern die deutsche Erinnerungskultur in der Überzeugung, dass eine gute Zukunft diejenigen am besten gestalten können, die sich unserer Geschichte bewusst sind. Im Mittelpunkt unserer Politik steht der Mensch mit seiner Würde und seiner Freiheit. Und grüne Politik war und ist immer europäisch.
Aus der Charta der deutschen Heimatvertriebenen von 1950 spricht – nur wenige Jahre nach erlebter Flucht oder Vertreibung – die Überzeugung, dass eine friedliche Zukunft nur auf Basis von Versöhnung, Aussöhnung und Verständigung zu scha_en ist und eben nicht durch Rache und Vergeltung. Damit wurde der Grundstein für ein geeintes Europa gelegt. Und gleichzeitig wurden und werden Brücken geschlagen zwischen der alten und der neuen Heimat. Das bayerisch-tschechische Verhältnis ist heute auch deswegen so tragfähig, weil die Sudetendeutschen als kulturelle Mittler auftreten, die die Menschen aus der Tschechischen Republik und aus Bayern zusammenbringen.
Daher fühlen wir Grüne im Bayerischen Landtag uns verpflichtet
- das reichhaltige kulturelle Erbe zu dokumentieren und für die Zukunft zu bewahren sowie die Erinnerung an das Unrecht, das den deutschen Heimatvertriebenen und Flüchtlingen nach dem Kriegsende widerfahren ist, aufrecht zu erhalten und zu befördern.
- den europäischen Einigungsprozess zu stärken und voranzutreiben, um Selbstbestimmung und Freiheit für alle Europäerinnen und Europäer zu gewährleisten und den Wohlstand zu sichern. Und wir kämpfen für unser demokratisches Gemeinwesen.
- den Dialog mit den Vertriebenenverbänden zu intensivieren und fruchtbar zu machen für eine gute Zukunft aller Bewohnerinnen und Bewohner Bayerns.