Die Regensburger Vereine "evangelisches Bildungswerk Regensburg (EBW)", "Ausbildung statt Abschiebung eV", "Jugendmigrationsdienst" und "Campus Asyl" luden zur Podiumsdiskussion im Thon-Dittmer Palais die Direktkandidat*innen für den bayerischen Landtag Jürgen Mistol, Kerstin Radler (Freie Wähler), Franz Rieger (CSU) und Margit Wild (SPD) ein.
Dr. Carsten Lenk, Geschäftsführer des EBW moderierte die Veranstaltung und eröffnete die Diskussion mit der Frage "Welchen persönlichen Bezug haben Sie zum Thema Flucht und Migration?"
Kerstin Radler (FW) hat als Rechtsanwältin bereits etliche Jahre mit der rechtlichen Beratung und Vertretung von Migrant*innen Erfahrung und daher nicht nur berufliches Interesse an der Thematik.
Jürgen Mistol wünscht sich ein weltoffenes Regensburg ohne Abschottung, denn diese schadet unserer Gesellschaft. Er ist davon überzeugt, dass sich am Umgang mit den Geflüchteten der Zusammenhalt unserer Gesellschaft erkennen lässt. Deshalb sieht er sich als Mandatsträger der Grünen in der Aufgabe, der Bevölkerung Mut zu geben, statt Ängste zu schüren. Dies will er durch eine zukunftsorientierte Politik umsetzen.
Margit Wild (SPD) pflichtet Jürgen Mistol bei und ruft dazu auf, sich gegen die abschottende und hasserfüllte Sprache mancher Politiker*innen zur Wehr zu setzen. Ihre Erfahrungen als Erzieherin und Heilpädagogin haben sie gelehrt, wie wichtig Würde und Respekt im Umgang mit jedem Menschen ist. Deshalb fordert sie, allen geflüchteten Kindern und Jugendlichen den Zugang zu Bildung zu ermöglichen.
Franz Rieger (CSU) sieht die Politik vor einer großen Herausforderung, die nicht nur Deutschland, sondern auch Europa spaltet. Er ist sich mit Jürgen Mistol und Margit Wild darüber einig, dass die Gesellschaft zusammenhalten muss, sowohl in Bayern, als auch im Bund, sowie in der EU. Die Umsetzung von Rechtsstaatlichkeit, Sicherheit und Humanität sind dabei nicht nur ein politischer Prozess und stellen einen "Lackmustest" für Europa dar.
Sehr deutlich wurden bei der Streitfrage "braucht Regensburg ein Ankerzentrum?" die Unterschiede zwischen Grünen und CSU in der Asyl- und Integrationspolitik.
Franz Rieger und die CSU versprechen sich durch die deutschlandweite Einrichtung von "Ankunfts-, Entscheidungs- und Rückführungszentren" (AnkERzentren) ab dem 01.08. schnellere Abwicklungen der Asylverfahren durch Behörden vor Ort, Sozialleistungen sollen zum Teil durch Sachleistungen ersetzt und die Kinder und Jugendlichen vor Ort unterrichtet werden.
Während Kerstin Radler dem Entwurf eine Chance geben will, weil den Geflüchteten ein Recht auf eine schnelle Entscheidung zusteht, stehen Jürgen Mistol und Margit Wild den AnkERzentren kritisch gegenüber. Die Isolation der Migrant*innen widerspricht dem Konzept der Integration, zudem die beengten Räume und triste Umgebung menschenunwürdige Zustände darstellen. Unter Zustimmung des Publikums zitiert Jürgen Mistol aus der Bayerischen Verfassung, dass "jeder Bewohner Bayerns Anspruch auf eine angemessene Wohnung [hat]" (BayVerf-106).
Die AnkERzentren sollen mehr den Zweck der Abschreckung erfüllen, als zur Beschleunigung der Asylverfahren beitragen, denn mit vielen Herkunftsländern fehlt ein Rückführungsabkommen. Die bloße Konzentration der Flüchtlinge in einem AnkERzentrum kann die Verfahren nicht beschleunigen.
Laut den Beschäftigten vor Ort wird die Verzweiflung der traumatisierten und zusammengepferchten Menschen ausgenutzt, um deren Konflikte zur Schau zu stellen und ein schlechtes Image der Geflüchteten zu kreieren.
Die von der CSU vorgeschlagenen zusätzlichen Institutionen wie eine neu ins Leben gerufene Grenzpolizei und ein Bundesamt für Migration werden von Kerstin Radler unter Zustimmung von Jürgen Mistol und Margit Wild als Doppelstrategie bemängelt, die nur weitere Probleme wie Kompetenzstreitigkeiten zwischen Bund und Ländern und Knappheit von Personalressourcen aufwerfen, anstatt in die bereits bestehenden Behörden zu investieren.
Die Nachfragen des Publikums sind hauptsächlich als Kritik an Franz Rieger und den Kurs der CSU gerichtet, so wird die Bedeutung des "C" in CSU und deren Vereinbarung mit der Politik hinterfragt, sowie das Integrationsverständnis und der Definition des Begriffs "Leitkultur".
Deutschland als Einwanderungsland braucht ein Einwanderungsgesetz nach dem Beispiel Kanadas, darin sind sich alle Teilnehmer*innen der Podiumsdiskussion einig.
Am Ende der Diskussion standen Fragen, welche Fluchtursachen es gibt und wie diese bekämpft werden sollen, im Mittelpunkt.
Der Krieg in Syrien als Fluchtursache ist von Deutschland durch Waffenhandel und Rüstungsexporte mitgeschaffen worden, erklärt Jürgen Mistol. Diese muss man in den Griff bekommen, fordert auch Margit Wild. Weitere Fluchtursachen stellen der Klimawandel und dessen Folgen der Wasserknappheit dar, weshalb eine effektive Umweltpolitik notwendig ist.
Abschließend betont Jürgen Mistol, dass Integration nur vor Ort, in Interaktion mit der Gesellschaft stattfinden kann- nicht isoliert in Transit-oder AnkERzentren.