Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde
Vielen Dank für die Einladung zum Grünen Stammtisch in Burglengenfeld, der heute Abend die Europawahl zum Thema hat. Am 25. Mai ist die Europawahl und Europa ist nicht ganz weit weg, wie immer wieder zu hören ist. Die Oberpfalz liegt im Herzen Europas. Europa und Bayern sind heute so vernetzt wie noch nie. Europa hat auf den verschiedensten Ebenen Einfluss auf die bayerische Politik und das Leben der bayerischen Bürgerinnen und Bürger. Wir Grünen setzen uns dafür ein, dass in Brüssel nicht nur bayerische, sondern auch grüne Interessen gewahrt werden.
Wie und wo hilft Europa vor Ort? Die EU kann benachteiligte Regionen, benachteiligte Stadtviertel und Menschen in ihrem Weg aus Benachteiligung und Arbeitslosigkeit heraus unterstützten, denn es gilt den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt innerhalb der Union zu sichern. Entwicklungsunterschiede sollen verringert werden, damit die Union als Ganzes sich harmonisch entwickeln kann und Krisen und Spannungen vermieden werden können. Die Grünen haben sich dafür eingesetzt, dass diese Unterstützung „grüner“ wird: Deshalb werden jetzt auch der Klimaschutz, die Gleichstellung von Männern und Frauen und die Reduzierung von CO2-Emissionen in allen Wirtschaftsbereichen gefördert und die Innovation in der Sozialwirtschaft gestärkt.
Durch die Erweiterung der Förderbreite des Europäischen Sozialfonds seit Januar diesen Jahres werden nun nicht mehr nur der Arbeitsmarkt sondern auch Armutsbekämpfung, Chancengleichheit, Beteiligung am gesellschaftlichen Leben und am Arbeitsprozess berücksichtigt.
Der zweite neue Förderbereich des ESF ist der Bildungsbereich. Wenn sie der Inklusion und der Innovation dienen, können von der Kindertagesstätte bis zum hohen Alter können alle Bildungs- und Fortbildungsbereiche gefördert werden. Auch hier bezieht sich die Förderung nicht allein auf den Ausbildungsbereich, auch Projekte für die Integration von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern und Flüchtlingen können Dank Grüner Initiative durch den ESF unterstützt werden.
Aus dem Fond für regionale Entwicklung, können Projekte im Bereich erneuerbare Energien, Energieeffizienz in der Wirtschaft aber auch von Wohngebäuden, Projekte der klimafreundlichen Stadt einschließlich klimafreundlicher Verkehrsmodi und Projekte der intelligenten Energiesysteme gefördert werden. Neu ist außerdem die Förderung der soziale Inklusion, also Investitionen in Schulen oder Gesundheitszentren. Im Mittelpunkt steht dabei die Barrierefreiheit.
Anfang des Jahres kam es in Deutschland, aber auch in anderen EU-Staaten, zu einer heftigen Debatte um die Freizügigkeit in der EU. Diese Debatte wurde, vornehmlich von der CSU, mit populistischen Slogans wie „Wer betrügt, der fliegt“ und dem Unwort des „Sozialtourismus“ angefeuert. Das Gerede vom „Sozialtourismus“ oder gar „Betrug“ schafft ein ausländerfeindliches Zerrbild, das mit der Realität nichts gemein hat. Deutschland profitiert von der Zuwanderung. Kaum ein Wirtschaftszweig in Deutschland kommt ohne Migrantinnen und Migranten aus. Wir brauchen das uneingeschränkte Grundrecht zur Freizügigkeit – für alle EU-Bürgerinnen und Bürger. Nur so haben allen EU-Bürgerinnen und -Bürgern das Recht, sich frei in der EU zu bewegen und in einen anderem Mitgliedsstaat Arbeit zu suchen und zu arbeiten. Natürlich gilt auch vor den Problemen nicht die Augen zu verschließen: Einige wenige Städte in Deutschland sind belastet durch die Konzentration der Zuwanderung ärmerer und gering qualifizierter Menschen. Aber die Bundesregierung lässt die Kommunen mit der Verantwortung, diese Menschen in die Gesellschaft zu integrieren, allein. Es gäbe jedoch Möglichkeiten Projekte, die die Armutsbekämpfung und soziale Eingliederung zum Ziel haben, durch den Europäischen Sozialfonds zu fördern. Deshalb fordern wir Grüne die Bundesregierung und die Landesregierungen auf, die Möglichkeiten des ESF zu nutzen und geeignete Programme zu entwickeln, um die Betroffenen aus ihrer Armutsfalle herauszuholen.
Auch beim dem Grünen Herzensthema, dem Umwelt- Und Verbraucherschutz, beeinflusst die EU die bayerische Politik.
Das beste Beispiel sind hierfür die Informationsangaben auf Lebensmitteln.Der EU ist es gelungen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher bessere Informationen darüber erhalten, was in den Lebensmitteln enthalten ist, die sie kaufen. Die Informationen müssen gut sichtbar und lesbar und leicht verständlich sein. Leider konnten wir Grüne uns nicht mit der Forderung nach einer Lebensmittelampel durchsetzen, die auf einen Blick erkennbar gemacht hätte, ob ein Produkt viel Zucker, Fett oder Salz enthält.
Auch bei der Lebensmittelwerbung ist der EU ein Durchbruch beim Verbraucherschutz gelungen. Die Europäische Union hat der Verbrauchertäuschung einen Riegel vorgeschoben. Es dürfen Lebensmittel nicht mehr als besonders förderlich für die Gesundheit angepriesen werden, wenn diese Wirkung nicht nachgewiesen werden kann.
Auch beim Entsorgen von Elektroschrott kommt die EU den europäischen Bürgern entgegen. Dank der EU-Elektroschrottrichtlinie können in Zukunft Kleinstelektrogeräte – wie beispielsweise Mobiltelefone, Energiesparlampen oder MP3-Spieler – direkt bei größeren Händlern abgegeben werden. Und das unabhängig davon, ob ein neues Gerät angeschafft wird oder nicht. Das erspart den umständlichen Weg zum Wertstoffhof.
Ein weiteres wichtiges Instrument im Naturschutz der Europäischen Union ist der Bienenschutz. Um dem Bienensterben Einhalt zu gebieten, hat die EU-Kommission drei Pflanzenschutzmittel aus der Stoffgruppe der Neonikotinoide bei der Saatgutbehandlung von Mais, Raps und Sonnenblumen verboten. Dieses Verbot ist besonders wichtig, da diese Gifte am weltweit beobachteten Bienensterben zweifelsfrei beteiligt sind. Dies ist allerdings nur ein Teilsieg im Kampf gegen das Bienensterben, da das Verbot auf zwei Jahre befristet ist und andere Schadstoffe, die verdächtigt werden für das Bienensterben verantwortlich zu sein, weiter erlaubt bleiben. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass nach der Evaluierung des Pestizidverbotes nach zwei Jahren dieses Verbot dauerhaft gemacht wird und auch weitere für das Bienensterben verantwortliche Faktoren bekämpft werden.
Durch die EU-Wasserrahmenrichtlinie soll die Verschmutzung des Wassers reduziert und eine nachhaltige Nutzung gefördert werden. Die Richtlinie hat das Ziel einen guten Zustand aller europäischen Gewässer - also Seen, Flüsse, Küstengewässer sowie Grundwasser - zu schaffen. Das ist wichtig für den Umwelt- und Gesundheitsschutz und auch um die Auswirkungen von Fluten und Dürren abzuschwächen. So können wir saubere Badegewässer genießen und uns an lebendigen Flüssen und Seen erfreuen. Wir Grünen kritisieren allerdings die Umsetzung dieser Richtlinie in Deutschland. Bei einem Großteil der deutschen Gewässer werden die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie, bis 2015 einen guten ökologischen und chemischen Zustand herzustellen, nicht erreicht.
Die EU ist auch im Kampf gegen die Verschmutzung größerer Gewässer, wie Meere, aktiv. Sie entwickelt derzeit einen Plan, wie die Vermüllung der Landschaft und der Meere vermindert werden kann. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie das Aufkommen von Einwegplastiktüten reduziert werden soll.
Klimaschutz kann nur gelingen, wenn wir gemeinsam von der kommunalen bis zur europäischen Ebene Hand in Hand an einer Verkehrswende arbeiten, bei der auch die nachhaltige Mobilität eine faire Chance hat. Das „Weißbuch Verkehr“ der EU-Kommission will bis 2050 eine Senkung der Treibhausgase um 60-80% erreichen, das gelingt nur mit nachhaltiger Mobilität.
Aktuell machen politische Eingriffe den Verkehr in Europa jedoch künstlich billig - nur ausgerechnet den umweltfreundlichen teurer! Das muss sich ändern. Wir wollen wettbewerbsverzerrende Subventionen - wie die 30 Mrd. Euro schweren Steuerausnahmen für die EU-Luftfahrt - streichen, die Investitionen auf umweltfreundliche Mobilität ausrichten und den Erfahrungsaustausch fördern.
Doch neben diesen großen Weichenstellungen brauchen wir auch vor Ort - in den Städten und Gemeinden - ganz konkrete Maßnahmen. Damit das gelingt haben wir uns unter anderem erfolgreich für einen Nachhaltigkeits-Check bei EU-Investitionen in Mobilität und für einen leichteren Zugang zu Förderprogrammen und weniger Bürokratie eingesetzt. Außerdem haben wir uns dafür stark gemacht, dass ein EU-Portal für Projekte zur Stadt- und Nahmobilität eingerichtet wird und dass vermehrt regionale Bahnprojekte - vor allem grenzüberschreitend - als Alternative zu sinnlosen Großprojekten realisiert werden.
Wir sind der Meinung der öffentliche Nahverkehr muss in der Verantwortung der Behörden und Verkehrsverbünde vor Ort verbleiben. Wir wollen deshalb, dass auch in Zukunft vor Ort entschieden werden darf, ob Verträge direkt vergeben oder im Wettbewerb ausgeschrieben werden sollen. Die Rolle der EU soll sich darauf beschränken, bei der Vergabe größerer Verkehrsverträge Regeln für Transparenz und fairen Wettbewerb vorzugeben. Das ermöglicht einen verantwortungsvollen Umgang mit öffentlichen Geldern und garantiert eine faire Beteiligung aller Unternehmen bei Ausschreibungen.
Von der EU- Agrapolitik profitieren Bäuerinnen und Bauern in Bayern. Seit Dezember letzten Jahres beispielsweise können Zuwendungen an die Landwirtschaft auch an öffentliche Leistungen gekoppelt werden. Zudem haben wir bei der gemeinsamen Marktordnung Akzente gesetzt, beispielsweise bezüglich der Vermarktungszusammenschlüsse von Landwirten, so dass deren Vermarktungsposition in der Zukunft gestärkt wird. Das bestehende Schulobst- und Schulmilchprogramm kann nun durch die Initiative der Grünen durch regional erzeugte Produkte gespeist werden.
Bei der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik wurden viele Chancen für eine ökologischere und nachhaltige Landwirtschaft vertan. Ein Beispiel hierfür ist der Europäische Garantiefonds für die Landwirtschaft. Aus dieser Fördermaßnahme werden die Direktzahlungen an die Landwirte vergeben und Marktordnungen damit finanziert. Wir finden, diese Reform der Direktzahlungen setzt der „Wachsen oder Weichen“-Politik zu wenig entgegen.
Beim Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung der ländlichen Räume sehen wir Verbesserungsbedarf. Mit diesem Fonds werden nicht nur Landwirte, sondern auch lokale Netzwerke unterstützt. Das Problem, das wir dabei sehen ist, dass die Investitionsförderung zwar an Tier- und Klimaschutzauflagen gebunden werden kann, aber nicht muss.
Die Wasserversorgung gehört in die öffentliche Hand, deshalb kämpfen wir gegen die Privatisierung von Wasser. Wir haben die europäische Bürgerinitiative „Right2Water“ unterstützt und den Widerstand gegen eine Richtlinie der europäischen Kommission angeführt, die unter anderem zum Ziel hatte, die Wasserversorgung zu liberalisieren und die in vielen Kommunen zur Privatisierung der Wasserversorgung geführt hätte. Und das mit Erfolg: Die EU-Kommission ließ sich schließlich auf eine Ausnahme für den Wassersektor ein. Dank uns können jetzt Bürgerinnen und Bürger selbst vor Ort entscheiden, wer ihr Wasser erbringt.
Uns geht es nicht um ein pauschales „mehr Europa“, sondern um ein „Europa an der richtigen Stelle“. Damit das „Europa an der richtigen Stelle“ in allen Bereichen der bayerischen Politik realisiert wird arbeiten wir Grünen im Landtag, im Bundestag und im Europäischen Parlament zusammen. Nur so schaffen wir es, dass auch Sie hier vor Ort von der Europäischen Union profitieren und jeder Bürger Bayerns von den Verbesserungen und Errungenschaften durch die europäische Politik seinen Teil bekommt.